Der französische Star-Regisseur François Ozon („8 Frauen“) ist seit Beginn seiner Karriere bekennender Fan von Rainer Werner Fassbinder. Der deutsche Ausnahmekünstler, 1982 im Alter von nur 37 Jahren gestorben, schuf in seinem viel zu kurzen Leben ein schier unglaubliches Werk an Spielfilmen, Fernseh-Serien und Theaterstücken. 1972 brachte er den Film „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ nach einem eigenen Stück in die Kinos – mit Margit Carstensen und Hanna Schygulla in den Hauptrollen. Mit seiner sehr persönlichen Version PETER VON KANT durfte Ozon Anfang des Jahres die Berlinale eröffnen. Doch zu welchem Preis?
Der offen homosexuell lebende Ozon hat aus Fassbinders Lesben-Melodram ein Schwulen-Drama gemacht – die Geschichte aber ansonsten unverändert gelassen. Der in Köln lebende Peter von Kant (Denis Ménochet) ist ein ehemals erfolgreicher Filmregisseur, der in seiner Atelierwohnung im Alkohol- und Drogenrausch dahinvegetiert, hingebungsvoll unterstützt von seinem devoten und stummen Diener Karl (Stefan Crépon). Als ihn seine Muse Sidonie von Gassenab (Isabelle Adjani) besucht, keimt bei Peter ein Fünkchen Hoffnung auf: Vielleicht gibt es doch noch einen Karriereschub?
Über Sidonie lernt Peter das männliche Model Amir Ben Salem (Khalil Gharbia) kennen und überredet den jungen, schönen Mann, es doch mal mit der Schauspielerei zu versuchen. Er macht mit ihm Probeaufnahmen und verführt ihn. Für Peter ist es die große Liebe – doch er merkt nicht, dass Amir nur mit ihm spielt und ihn ausnutzt. Am Ende verlässt der inzwischen erfolgreiche Amir seinen Lover – und Peter bleibt gebrochen zurück. Auch seine Mutter (Hanna Schygulla!) und seine Tochter (Aminthe Audiard) können ihn nicht trösten. Als Peter seinem Diener Karl die Freundschaft anbietet, haut dieser ab, ohne im gesamten Film ein Wort gesagt zu haben.
Denis Ménochets faszinierende Verkörperung der Titelrolle wirkt wie eine Reinkarnation von Fassbinder selbst: aufgeschwemmt, hässlich, drogensüchtig. Die Figur des arabisch-stämmigen Amir ist offensichtlich angelehnt an Fassbinders Ex-Lover El Hedi ben Salem, der in „Angst essen Seele auf“ an der Seite von Brigitte Mira die männliche Hauptrolle spielte.
Die Mitwirkung von Frankreichs Superstar Isabelle Adjani und Fassbinders einstiger Muse Hanna Schygulla geben dem Film einen zusätzlichen Kick. Doch der Zuschauer fragt sich zu Recht: Was soll das alles? Der komplett im Studio gedrehte Film will seine Künstlichkeit nie verleugnen – hier hat François Ozon den typischen Fassbinder-Stil 1:1 übernommen. Schon in seinem dritten Film „Tropfen auf heiße Steine“ (2000) nutzte Ozon ein Theaterstück des Deutschen – und seine Verehrung hat seitdem nie nachgelassen. In der Tradition von Douglas Sirk greift der Regisseur in PETER VON KANT den melodramatischen Stil Fassbinders auf. Aber warum?
Der Film wirkt leider in weiten Teilen wie die blutleere Etüde eines Fans. Seit es das Kino gibt, lebt es vom Genre des Melodrams, das unzählige Meisterwerke hervorgebracht hat. PETER VON KANT gehört nicht dazu. Der Film ist ein ehrenwerter Versuch am Rande des Kunstgewerbes. Mehr nicht!
Peter von Kant (Frankreich 2022)
86 Minuten
Tragikomödie / Drama
François Ozon
François Ozon, freie Adaption von “Die bitteren Tränen der Petra von Kant” von Rainer Werner Fassbinder
Denis Ménochet, Isabelle Adjani, Khalil Gharbia, Hanna Schygulla, Stefan Crépon, Aminthe Audiard
MFA+ FilmDistribution e.K.