Oslo Stories: Liebe

17.04.2025

Der norwegische Autor und Regisseur Dag Johan Haugerud hat eine Trilogie über die Dinge gemacht, die das Leben der Bewohner der norwegischen Hauptstadt bestimmen. OSLO STORIES: LIEBE ist das erste Werk daraus, es folgen „Träume“ und „Sehnsucht“ in kurzem Abstand.

Marianne (Andrea Bræin Hovig) und Tor (Tayo Cittadella Jabobsen) treffen sich zufällig auf einer Fähre nach Nesodden, einer vorgelagerten Halbinsel im Oslofjord. Beide arbeiten im selben Krankenhaus, sie als Urologin, er als Pfleger. Sie ist gerade auf dem Weg nach Hause, nachdem sie eine Freundin besucht hat, die sie mit ihrem Nachbarn verkuppeln wollte, als Tor ihr erzählt, dass er seine Nächte öfter auf der Fähre verbringt, um schnellen Sex zu haben. Obwohl sie diese Idee erst einmal abtut, kommt sie nach und nach ins Grübeln, ob diese Art der spontanen Intimität für sie vielleicht auch in Frage kommen könnte.

Derweil versucht Mariannes Freundin, die Stadtführerin Heidi (Marte Engebrigtsen), die diversen Fresken und Skulpturen am Osloer Rathaus mit der Geschichte Norwegens in einen sexuellen Zusammenhang zu setzen, hat aber Schwierigkeiten, ihre Idee von einer Feier sexueller Offenheit für das bevorstehende Stadtfest bei ihren Kolleg:innen durchzusetzen.

Irgendwann lernt Tor auf der Fähre den Psychotherapeuten Bjørn (Lars Jacob Holm) kennen, ohne dass es jedoch zum Sex kommt. Später sieht er ihn im Krankenhaus wieder – ausgerechnet auf der Onkologiestation…

Drei Filme über Beziehung, Liebe und Sex hat der norwegische Autor und Regisseur gedreht, die jetzt als „Oslo Stories“ in die Kinos kommen. Im vergangenen Jahr lief in der Panorama-Sektion der Berlinale der ursprünglich erste Teil, damals noch unter dem schlichten internationalen Titel „Sex“, der bei uns als „Oslo Stories: Sehnsucht“ am 22.05.2025 in die Kinos kommt und die Trilogie abschließt. In Venedig feierte dann ein halbes Jahr später OSLO STORIES: LIEBE seine Weltpremiere, während der ursprünglich dritte Teil „Träume“ auf der diesjährigen Berlinale im Wettbewerb lief und dort sogar als bester Film mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet wurde.

Dass der deutsche Verleih Alamode die Filme in einer anderen Reihenfolge in die Kinos bringt, wirkt im ersten Moment befremdlich, lässt sich aber schnell erklären: Man startet die Reihe einfach mit dem stärksten Werk und arbeitet sich bis zum schwächsten Teil vor. Da die drei Filme komplett eigenständig sind, spielt das auch überhaupt keine Rolle. Es gibt lediglich eine einzige Figur, die in allen drei Teilen zu sehen ist: Der Psychologe Björn, gespielt von Lars Jacob Holm, gehört in OSLO STORIES: LIEBE als Krebskranker zum wesentlichen Teil der Handlung. In „Oslo Stories: Träume“ sieht man ihn gegen Ende als Therapeut der Hauptfigur und in „Oslo Stories: Sehnsucht“ ist er sogar nur kurz von hinten im Fenster eines Cafés zu sehen.

So sehr kann man sich täuschen: Vor anderthalb Jahren sagte mir „Oslo Stories: Sehnsucht“ überhaupt nicht zu. Ich war u.a. genervt von der statischen Kamera, die selbst dann ihren Blickwinkel nicht veränderte, wenn die Protagonisten das Sichtfeld längst verlassen hatten. Innerlich hatte ich mit dem Regisseur und den restlichen beiden Filmen abgeschlossen. Doch dann erzählten mir Kollegen, dass diese um ein Vielfaches besser seien und so nahm ich mir vor, der Trilogie noch eine Chance zu geben. Und siehe da: Ich bin hin und weg und das erste Mal mit der Auszeichnung des Golden Bären als bester Film total einverstanden. Jetzt konnte ich endlich auch OSLO STORIES: LIEBE nachholen, der mich genauso begeistern konnte.

Eingefangen in wunderschönen Bildern seiner Kamerafrau Cecilie Semec erzählt Dag Johan Haugerud in OSLO STORIES: LIEBE drei miteinander verwobene Geschichten, die allesamt in der norwegischen Hauptstadt verortet sind – aber sinnbildlich für die ganze Welt sind. Die Figuren beschäftigen sich hier mit den Themen Liebe und Sexualität und wie sich diese in Einklang mit der heutigen Zeit bringen lassen. Schließlich haben wir einen Punkt erreicht, an dem sich Frauen Entscheidungen in Bezug auf ihre Sexualität und ihr Liebesleben treffen können, ohne sich verteidigen oder erklären zu müssen. So zeigt OSLO STORIES: LIEBE vor allem die beiden Figuren Marianne und Tor, die sich ausgiebig über die Moralvorstellungen des jeweils Anderen unterhalten. Bemerkenswert ist dabei, dass sich die Gespräche niemals in Richtung eines Streits bewegen. Jeder akzeptiert unvoreingenommen die Positionen seines Gegenübers – etwas das in unserer heutigen Welt leider mehr und mehr verloren geht.

Ursprünglich hatte Haugesund nur einen einzigen Film im Kopf, doch „Sehnsucht“ ließ sich partout nicht finanzieren, zumal er anfangs nur als 60-minütiger mittellanger Kinofilm geplant war. Also schrieb der Autor und Regisseur noch zwei weitere Drehbücher, und auf einmal kam die Finanzierung zustande. „Liebe“ und „Träume“ reichte man dann beide in Venedig ein, doch das Festival entschied sich nur für den ersteren. Zum Glück zeigte die neue Berlinale-Leiterin Tricia Tuttle dann Interesse an „Träume“, der dann letztendlich noch mit dem Goldenen Bären als bester Film ausgezeichnet wurde. Haugerud selbst hat natürlich eine präferierte Reihenfolge, die sich aber einzig und allein aus dem Handlungsbogen der Figur des Bjørn ergibt: „Sehnsucht“ – „Träume“ – „Liebe“. Da dieser Bogen aber den meisten Zuschauern vermutlich gar nicht auffallen wird, spielt das eh keine Rolle.

Mit seiner Oslo-Trilogie ist Dag Johan Haugerud tatsächlich ein kleines Meisterwerk gelungen, das mit OSLO STORIES: LIEBE eindrucksvoll startet. Weiter geht es am 8. Mai mit „Oslo Stories: Träume“, bevor die Reihe am 22. Mai mit „Oslo Stories: Sehnsucht“ ihr Ende findet.

Trailer

Im Rahmen der Berichterstattung
ab12

Originaltitel

Kjærlighet / Love (Norwegen 2024)

Länge

120 Minuten

Genre

Drama / Romanze

Regie

Dag Johan Haugerud

Drehbuch

Dag Johan Haugerud

Kamera / Director of Photography (DOP)

Cecile Semec

Darsteller

Andrea Bræin Hovig, Ayo Cittadella Jabobsen, Thomas Gullestad, Lars Jacob Holm, Marte Engebrigtsen

Verleih

Alamode Filmdistribution OHG

Filmwebsite

» zur Filmwebsite

Weitere Neustarts am 17.04.2025