Transgender ist in! Erstaunlich, wie der Schauspieler Florian David Fitz dieses immer noch heikle Thema in seinem Drehbuch zu OSKARS KLEID wunderbar feinfühlig umgesetzt hat. Eigentlich war geplant, dass Fitz auch die Regie übernehmen sollte – doch aus Zeitgründen übergab er diesen Job seinem Kollegen Hüseyin Tabak, der uns mit seinem Hamburger Boxerdrama „Gypsy Queen“ 2020 – er lief beim Filmfest Hamburg – alle begeistert hatte.
Nach der Trennung von seiner Ex-Frau Mira (Marie Burchard) hat der Münchner Polizist Ben (Florian David Fitz) sein Leben nicht mehr im Griff. Nach durchzechter Nacht schleppt er sich jeden Morgen aufs Revier, um mit seinem Kumpel Seyit (Kida Khodr Ramadan) Streife zu fahren. Da erreicht ihn ein Anruf: Bei Mira, die seit Jahren mit Diego (Juan Lo Sasso) zusammenlebt, haben vorzeitig die Wehen eingesetzt. Spontan entscheidet sich Ben, sich um die gemeinsamen Kinder Oskar (Laurì) und Erna (Ava Petsch) zu kümmern. Seine Tochter ist sofort begeistert – doch Oskar zögert: Kurz vor der Abfahrt steht er in einem gelben Kleid vor seinem Vater: „Ich heiße Lili.“
Wie kommt ein konservativ erzogener, der Gewalt nicht abgeneigter Polizist einer streng jüdischen Familie – seine Eltern werden übrigens von Senta Berger und Burghart Klaußner gespielt – mit dieser neuen Erkenntnis klar? Wie Fitz diesen Zwiespalt und diese Unsicherheit umsetzt, ist schon beeindruckend. Langsam wird klar: Als Mira vor Jahren Oskars Neigung erkannt hatte, hatte sie ihn als Lili mit Einverständnis der Lehrerschaft in der neuen Schule angemeldet – und bislang lief alles reibungslos.
Lili spürt, dass Ben mit der neuen Situation nicht klar kommt. Sie taucht in Jungskleidung und kürzeren Haaren in der Schule auf – mit dem Ergebnis, dass Ben abends überall blaue Flecken an Lilis Körper entdeckt. Sein Crash-Kursus, sich zu wehren, hat nur den Erfolg, dass am nächsten Tag die Sanitäter in die Schule gerufen werden: Lili hatte den Gegner verprügelt.
Lili muss die Schule wechseln, und Ben findet sich allmählich mit der ungewöhnlichen Situation ab. Am Ende rafft sich Lili zu einer wunderschönen, anrührenden Szene auf. Wem da nicht die Tränen kommen…
OSKARS KLEID hätte ein toller Transgender-Film werden können – doch leider überspannt Fitz in seinem Drehbuch den Bogen. Er verzettelt sich in zu vielen Nebenschauplätzen – das Ehepaar Senta Berger/Burghart Klaußner wirkt total unglaubwürdig, und die Szene beim Rabbi in der Synagoge hätte sich der Regisseur Hüseyin Tabak wirklich schenken können. Doch die beiden Kinder Laurì und Ava Petsch spielen einfach atemberaubend!
Oskars Kleid (Deutschland 2022)
102 Minuten
Komödie / Drama
Hüseyin Tabak
Florian David Fitz
Florian David Fitz, Laurì, Kida Khodr Ramadan, Marie Burchard, Juan Lo Sasso, Burghart Klaußner, Senta Berger
Warner Bros. Entertainment GmbH