Kann eine Komödie über Alkoholmissbrauch überhaupt funktionieren? Ja, wenn man Regisseur Markus Goller und Drehbuchautor Oliver Ziegenbalg machen lässt: ONE FOR THE ROAD zeigt das eindrucksvoll.
Wenn es ums ungebremste Feiern geht, kennt Mark (Frederick Lau) partout kein Ende. Er trinkt selbst dann weiter, wenn er bereits sturzbetrunken ist. Trotzdem jongliert er sein Leben mehr oder minder erfolgreich zwischen seinem Job als Bauleiter und dem beinahe täglichen Feiern. Bis er eines Tages nur noch mal schnell sein Auto umparken will. Es kommt, wie es kommen soll: Polizei, Anzeige, Führerschein weg, MPU. Voller Selbstüberzeugung glaubt er, dass er das alles mit links erledigt. Er wettet sogar mit seinem besten Freund Nadim (Burak Yiğit) darum, dass er bis zur bestandenen Prüfung keinen Tropfen Alkohol anrührt. Als er im MPU-Kursus jedoch Helena (Nora Tschirner) kennenlernt, findet er in ihr seine „Partnerin in Crime“. Langsam wird Mark klar, dass das Ganze vielleicht doch kein Spaziergang wird. Nur wie erkennt man, dass man ein echtes Problem hat? Wie gesteht man sich ein, dass die Freunde vielleicht doch recht haben?
Als Oliver Ziegenbalg auf die Idee für die Geschichte gekommen ist, war ihm von vorne herein klar, dass er kein weiteres „Betroffenheitsdrama“ zum Thema Alkoholismus schreiben wollte. „Davon gibt es schließlich bereits genug“, wie er mir im Interview verraten hat. Doch kann man sich diesem Thema überhaupt komödiantisch nähern? Diese Frage stellte sich mir, bevor ich den Film Ende Juni beim Filmfest München gesehen habe. Da Ziegenbalg aber u.a. bereits für die Drehbücher zu „Friendship!“ und „25 km/h“ bekannt wurde, die er – wie auch ONE FOR THE ROAD – mit Markus Goller als Regisseur umgesetzt hat, lösten sich meine Zweifel so gut wie in Luft auf. Und siehe da: Ja, es kann funktionieren. Und vielleicht kann man durch diese Herangehensweise ja sogar Menschen erreichen, die um andere Filme zum gleichen Thema sonst einen großen Bogen machen.
Das Besondere an ONE FOR THE ROAD ist nämlich, dass der Film seine Figuren ernst nimmt und keine Späße auf ihre Kosten macht. Und mit Frederick Lau und Nora Tschirner hat der Film gleich zwei Asse im Ärmel, die das Thema von zwei unterschiedlichen Seiten aufzäumen. Während Laus Figur einfach nur trinkt, weil es ihm Spaß macht und er vielleicht sogar glaubt, damit ungehemmter zu sein, konsumiert Tschirners Figur den Alkohol, um schmerzhafte Erinnerungen zu verdrängen. Ein verdammt guter Ansatz, der zeigt, dass es für Alkoholmissbrauch nicht „den einen Grund“ gibt.
Für den Film haben Markus Goller und Oliver Ziegenbalg dann sogar ihre eigene Produktionsfirma „Sunny Side Up“ gegründet. Das macht sie unabhängiger, können Sie doch jederzeit selbst entscheiden, wohin die Reise gehen soll. Besonders bei einem Thema hat sich das für die beiden ausbezahlt: Beim Thema Musik müssen sie fortan keinerlei Kompromisse mehr eingehen. Das ihnen das besonders wichtig ist, merkt man dem Film immer wieder an. Im Gegensatz zu anderen deutschen Komödien, bei denen als Musik einfach das genommen wurde, was gerade in den Charts war oder was die Plattenfirmen promoten wollten, passen die Songs hier wie die Faust aufs Auge zu den jeweiligen Szenen. Natürlich muss man dafür dann mehr Geld auf den Tisch legen, aber wenn man eh das letzte Wort hat, kann man das auch entsprechend durchsetzen.
ONE FOR THE ROAD ist ein Film, der sich wohlwollend vom deutschsprachigen Film-Einheitsbrei abhebt. Und wenn der Film auch nur einen einzigen Zuschauer dazu bringt, seinen eigenen Umgang mit Alkohol in Frage zu stellen, ist bereits viel erreicht. Chapeau!
Im Rahmen der Berlin-Premiere durfte ich mit Regisseur Markus Goller und Drehbuchautor Oliver Ziegenbalg, sowie mit Hauptdarsteller Frederick Lau ein kurzes Interview führen. Wir sprachen u.a. darüber, was sich in der Entwicklung eines Films ändert, wenn man wirklich auf dem „Driver’s Seat“ sitzt und wie die Idee zum Film überhaupt entstanden ist. Und Frederick Lau hat mir verraten, welche Rolle er gerne mal spielen würde…
One for the Road (Deutschland 2023)
115 Minuten
Drama / Komödie
Markus Goller
Oliver Ziegenbalg
Frederick Lau, Nora Tschirner, Burak Yiğit, Friederike Becht, Godehard Giese, Nina Kunzendorf, Henning Peker, Eva Weißenborn, Lena Schmidtke, Rafael Stachowiak
Sony Pictures Releasing GmbH