Nightmare Alley

20.01.2022

Der Film noir „Nightmare Alley“ (in Deutschland hatte er den Titel „Der Scharlatan“) von Edmund Goulding aus dem Jahr 1947 gilt eher als Nebenwerk der Reihe – trotz eines überragenden Tyrone Power in der Hauptrolle. So waren manche erstaunt, als bekannt wurde, dass der Mexikaner Guillermo del Toro, einer der Magier des modernen Kinos, ein Remake dieser scheinbar altmodischen Geschichte plant – nach dem gleichnamigen Roman von William Lindsay Gresham. Del Toros NIGHTMARE ALLEY entpuppt sich als ein stilsicheres Melodram aus einer fernen Zeit. Der Regisseur hat genau das Richtige gemacht: die Story nicht krampfhaft ins Heute zu verlegen, sondern den Zeitgeist zu erhalten.

1939, mittlerer Westen: Zehn Jahre nach der Weltwirtschaftskrise hat die „Große Depression“ die USA noch fest im Griff. Ähnlich wie in John Fords „Früchte des Zorns“ (nach dem Roman von John Steinbeck) erleben wir ein Amerika von unten – ein Land in tiefster Armut. Stanton Carlisle (Bradley Cooper) hat soeben seinen verhassten Vater umgebracht, dabei Leiche und Haus abgefackelt. Er sucht einen Job auf einem Jahrmarkt in der finstersten Provinz, mitten im Matsch und Dauerregen. Zunächst hilft er dem obskuren Schausteller Clem (Willem Dafoe), der ein Monstrum, den „Geek“, in der Manege präsentiert. Er verguckt sich in die junge Molly (Rooney Mara), die spektakuläre Zauberkunststücke mit elektrischem Strom vorführt.

Verführt wird er jedoch von der Hellseherin Zeena (Toni Collette), die mit ihrem alkoholkranken Mann Pete (David Strathairn) mittels Geheimcode die Zuschauer manipuliert. Als dieser stirbt – Stanton ist dabei nicht ganz schuldlos –, übernimmt jener dessen Job und lernt den Code auswendig. Als er genug weiß, beginnt er zwei Jahre später in der Großstadt gemeinsam mit Molly eine Karriere als „Der große Stanton“ – die Varieté-Sensation jener Tage. Dort weckt er das Interesse der geheimnisvollen Psychiaterin Lilith Ritter (Cate Blanchett), die aber eigene Pläne hat und ihn mit einem dubiosen Mafioso (Richard Jenkins) zusammenbringt. Mit schrecklichen Folgen!

Ähnlich wie Roman Polanski in „Chinatown“ hat Guillermo del Toro in NIGHTMARE ALLEY eine vergangenen Epoche kongenial stilistisch eingefangen: den Schlamm auf dem Jahrmarkt, die Art-Deco-Gebäude und Büros in der Großstadt, die raffinierten Licht-und-Schatten-Reflexe in der immer düsterer werdenden Handlung. Der für seine Horrorelemente bekannte Regisseur hat sich diesmal erstaunlich zurückgehalten: Nur in Clems monströsem Kuriositätenkabinett grässlicher Embryos zeigt sich del Toros Vorliebe für das Unnatürliche.

Noch ein Wort zu Bradley Cooper: Viele unterschätzen immer noch seine Schauspielleistungen – trotz „Silver Linings“ und „A Star Is Born“. Der Mitproduzent wollte diesen Film unbedingt machen. Der Erfolg gibt ihm Recht. Seine brillante Darstellung prägt den Film, immerhin hatte er drei überragende Schauspielerinnen an seiner Seite. Einziger dramaturgischer Schwachpunkt: Die drei Frauengeschichten wirken eher schablonenhaft aufgereiht. Eine nach der anderen!

Trailer

ab16

Originaltitel

Nightmare Alley (USA 2021)

Länge

151 Minuten

Genre

Drama / Thriller

Regie

Guillermo del Toro

Drehbuch

Guillermo del Toro, Kim Morgan, basierend auf dem Roman von William Lindsay Gresham

Darsteller

Bradley Cooper, Cate Blanchett, Toni Collette, Willem Dafoe, Richard Jenkins, Rooney Mara, Ron Perlman, Mary Steenburgen, David Strathairn

Verleih

Walt Disney Studios Motion Pictures Germany GmbH

Weitere Neustarts am 20.01.2022