Die Dokumentarfilmerin Joana Georgi begleitet in NIEMALS ALLEIN, IMMER ZUSAMMEN fünf Berliner Aktivist:innen in ihrem Alltag. Leider lässt sie dabei eine gewisse Distanz vermissen und lässt problematische Forderungen unkommentiert stehen.
Ein Jahr lang dokumentiert die Regisseurin Joana Georgi die fünf Berliner Aktivist:innen Quang, Patricia, Simin, Zaza und Feline in ihrem Alltag. Sie engagieren sich bei „Fridays for Future“, „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“, kämpfen für bessere Arbeitsbedingungen in der Berliner Krankenhausbewegung, setzen sich für die Aufarbeitung rassistisch motivierter Gewalt ein oder backen Torten für diejenigen, die sich keine Torten leisten können. Dabei möchte Georgi offenbar zeigen, welche Bürden diese jungen Menschen auf sich nehmen, um für ihre Ideologien zu kämpfen. Das ist in fast allen Punkten ehrenvoll, denn ohne die laute Stimme von „Fridays for Future“ würde unsere Gesellschaft in Sachen Klimaschutz noch viel weiter hinterher hängen, als sie es eh schon macht. Auch der Kampf um bezahlbaren Wohnraum oder eine bessere Bezahlung in der Pflege ist aller Ehren wert und vor allem immens wichtig. Das unterstütze ich ausdrücklich.
Für meine Begriffe ist Georgi aber viel zu nah dran an Protestierenden, man hat fast den Eindruck, sie stamme selbst aus diesem Umfeld. Das macht sich bemerkbar, indem es im Film keinerlei gegenteilige Meinungen gibt. Damit meine ich keine Energieunternehmen, die die Rückkehr zur Atomenergie fordern, nein, keinesfalls, sondern kritisches Hinterfragen einzelner Aktionen.
Besonders verärgert hat mich eine junge Frau, die minutenlang auf einer Kundgebung die Abschaffung der Polizei fordert, da diese ja „den armen Flüchtling zur Abschiebung abholt“ oder „den kleinen Shishabar-Betreiber drangsaliert, da dieser ein Kilogramm Shisha-Tabak nicht versteuert hat“. Wer so etwas fordert, der hat das Prinzip der Gewaltenteilung unserer Gesellschaft nicht verstanden. Die Polizei als Exekutive ist gesetzlich verpflichtet, bei Verstößen gegen das Gesetz tätig zu werden – und zwar immer. Egal ob es sich um einen Flüchtling handelt, dessen Aufenthaltsgenehmigung abgelaufen ist oder es Hinweise auf Steuerhinterziehung gibt, ganz gleich in welchem Umfang. Hier wäre es angebracht, die Politik als Legislative zu kritisieren. Wie unsere Gesellschaft ohne Polizei aussehen würde, möchte ich mir überhaupt nicht vorstellen. Davon unberührt sind natürlich Fehlverhalten innerhalb der Polizei, die gilt es nach wie vor zu beseitigen. Aber mal ehrlich: Von einem Polizeistaat wie in anderen Ländern sind wir doch wohl Lichtjahre entfernt.
Deshalb ärgert es mich ungemein, wenn man diese Behauptungen in einem Film unkommentiert lässt, bzw. eine Einordnung unterbleibt. In der thematisch ähnlich gelagerten Dokumentation „Vergiss Meyn nicht“ über die Aktivist:innen im Hambacher Forst gab auch Stimmen von Teilnehmern zu hören, die die ganze Besetzung des Waldes kritisch hinterfragt haben. Genau so sieht ein guter Dokumentarfilm aus. Nicht so wie in NIEMALS ALLEIN, IMMER ZUSAMMEN. Das ist verdammt schade, aber auch extrem gefährlich.
Niemals allein, immer zusammen (Deutschland 2024)
95 Minuten
Dokumentation
Joana Georgi
Joana Georgi
Neue Visionen Filmverleih GmbH