Napoleon

23.11.2023

Wer in der Schule gut aufgepasst hat, weiß so einiges aus dem Leben des französischen Feldherrn und Kaisers Napoleon Bonaparte (1769-1821). Schon zu Stummfilmzeiten wurde das Thema auf die Leinwand gebannt – unvergessen das monumentale Epos von Abel Gance (1927). Auch in den Verfilmungen von Leo Tolstois Roman-Klassiker „Krieg und Frieden“ spielt Napoleon eine zentrale Rolle. Wer erinnert sich nicht an Herbert Loms Verkörperung in King Vidors Hollywood-Variante von 1956? Warum also noch eine Version – diesmal NAPOLEON von Ridley Scott?

Der englische Regisseur (Jahrgang 1937) ist seit seinen Anfängen bekannt für seine bildgewaltigen Filme („Alien“, „Blade Runner“, „Gladiator“ ) – zurückhaltende Kammerspiele sind seine Sache eher nicht. So passt NAPOLEON genau in sein Schema. Der 159 Minuten lange Film wurde von Columbia Pictures und Apple Original Films produziert und soll nach der Kinoauswertung weltweit auf Apple TV+ ausgestrahlt werden – dann in einer deutlich längeren Fassung. Die Rede ist von zusätzlichen zwei Stunden.

Wir müssen uns also vorerst mit der Kino-Version begnügen. Und genau da setzen die Probleme ein. Regisseur Ridley Scott und sein Drehbuchautor David Scarpa handeln Napoleons Leben trotz der beachtlichen 159 Minuten wie im Zeitraffer ab – für ausgespielte Szenen bleibt dabei kaum Platz. Zudem spielt Joaquin Phoenix, den Scott schon in „Gladiator“ besetzt hatte, seine Titelrolle mit gefühlt nur einem Gesichtsausdruck, was auf die Dauer ermüdend wirkt – zumal er in fast jeder Szene zu sehen ist.

Der auf Korsika geborene Napoleon steigt während der Französischen Revolution zu einem wichtigen Heerführer auf. Er verliebt sich in die adlige Witwe Joséphine de Beauharnais (Vanessa Kirby) deren Mann auf der Guillotine hingerichtet worden war, und heiratet sie. Schon bald macht sie ihm klar, dass sie gedenkt, in der Ehe die Hosen anzuhaben – und auch im Bett viel mehr Ahnung hat als er. Nach erfolgreichen Italien- und Ägyptenfeldzügen, dem Ende der Schreckensherrschaft und einem erfolgreichen Staatsstreich steigt Napoleon zu einem der drei Konsuln auf. Im Alter von 30 Jahren wird er Erster Konsul und damit faktisch Alleinherrscher. 1804 lässt er sich zum Kaiser krönen.

Der bekennende Action-Regisseur Scott legt natürlich sein Hauptaugenmerk auf die vielen Schlachten in Napoleons Leben, die er spektakulär, aber überraschend unblutig inszeniert: die Belagerung von Toulon, Austerlitz, der bittere Russland-Feldzug und natürlich Waterloo. Nicht jeder CGI-Effekt ist ihm dabei gelungen, doch die Schlacht von Austerlitz ist mustergültig umgesetzt. Napoleon lockt den Gegner mit einer List auf einen zugefrorenen See und zerschießt das Eis mit bislang versteckten Kanonen, so dass die feindlichen Soldaten jämmerlich ertrinken. Das ist sicherlich einer der Höhepunkte des Films. Und auch Napoleons Einzug in das leere (!) Moskau ist in einer düsteren Atmosphäre brillant umgesetzt.

Privates Gegenstück ist die intensive Beziehung des Muttersöhnchens Napoleon und der ihn beherrschenden Joséphine. Und hier spielt Vanessa Kirby Joaquin Phoenix, immerhin Oscar-Preisträger für „Joker“, glatt an die Wand. Dagegen sind manche Szenen lapidar eingefügt – so dauert der „Wiener Kongress“ hier nur eine Minute -, dass man darauf gern verzichtet hätte.

Auf eine Eigenart Napoleons verzichtet Ridley Scott konsequent. Was wir schon immer wissen wollten: Warum steckt Napoleon seine Hand ständig in die Weste – was sucht oder findet er dort? Scott verweigert uns die Antwort. Schade. Fazit: Solider Geschichtsunterricht. Mehr nicht!

Trailer

ab12

Originaltitel

Napoleon (USA 2023)

Länge

159 Minuten

Genre

Biopic / Historie / Abenteuer

Regie

Ridley Scott

Drehbuch

David Scarpa

Darsteller

Joaquin Phoenix, Vanessa Kirby, Tahar Rahim, Rupert Everett,

Verleih

Sony Pictures Releasing GmbH

Filmwebsite

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