Monster im Kopf

09.11.2023

Es gibt Filme, die den Zuschauer ganz bewusst mit verschränkten Zeitebenen in die Irre führen. Das wohl berühmteste Beispiel ist „Memento“ von Christopher Nolan – ein Film der konsequent rückwärts erzählt wird. Auch Stanley Kubrick wählte in „The Killing – Die Rechnung ging nicht auf“ dieses Stilmittel. Die Regisseurin Christina Ebelt, die auch das Drehbuch schrieb, ist für ihr vertrackt geschnittenes Knast-Drama MONSTER IM KOPF also in guter Gesellschaft. Und wir Zuschauer brauchen eine gewisse Zeit, um hinter das Geheimnis der ungewöhnlichen Struktur zu kommen. Vieles gelingt dabei – einiges nicht so ganz.

Die hochschwangere Sandra (Franziska Hartmann) sitzt in einer JVA irgendwo in Deutschland, und wir beobachten ihren trostlosen Tagesablauf. Sie arbeitet als ausgebildete Metzgerin in der Küche des Gefängnisses und langweilt sich in ihrer Zelle. Die wenigen Höhepunkte ihres Alltags sind die Besuche beim Arzt der Anstalt. Begleitet von einem Wärter geht sie den bekannten Weg übers Gelände – nach eingeübtem Ritual: Schlüssel, Tür auf, Schlüssel, Tür zu, nächste Tür. Das alles hat Kameramann Bernhard Keller brillant eingefangen. Diese in die Länge gezogenen Szenen geben den Rhythmus der Films vor und uns ein Gefühl für die düstere Stimmung.

Der Arzt hatte sie gewarnt: Es könnte eine Risikogeburt werden – eine Gefahr für Mutter und Kind. Und genau das passiert: Sandra muss notoperiert werden, der Sohn überlebt, hat aber Lungenprobleme. Kurz zuvor hatte sie sich um einen Platz in einem Mutter-Kind-Knast beworben, aber die Leiterin zögert: Die Schwere ihrer Tat verhindert eine sofortige Aufnahme. Von der Tat wissen wir Zuschauer bislang nur so viel, dass Sandra extrem jähzornig reagiert.

Der nächste Schnitt ist ein Schock: Wir beobachten Sandra und ihren Freund Miki (Slavko Popadic) im Krankenhaus beim Besuch ihrer Ärztin, die bei der Ultraschall-Untersuchung Probleme im Uterus-Bereich feststellt und dem Paar – nach einer halbstündigen Wartepause – eine niederschmetternde Diagnose stellt. Leider wird das Ergebnis uns Zuschauern nicht verraten. Und genau das werfe ich der Regisseurin vor: Was soll diese Geheimniskrämerei?

Das ist aber mein einziger Vorbehalt. Christina Ebelt blättert in diversen Rückblenden das Leben der noch in Freiheit lebenden Sandra auf. Miki ist ein begnadeter Automechaniker und begeisterter Rennfahrer, Sandra muss neben ihrer nervenaufreibenden Arbeit in einer Schlachterei täglich ihre kranke Mutter (Martina Eitner-Acheampong) betreuen – was sie jedes Mal zur Weißglut treibt. Bei einem Autorennen vermöbelt sie einen Konkurrenten von Miki. Doch das Drama eskaliert – und wir sind am Ende ziemlich überrascht. (Doch Spoiler wird es von mir nicht geben!)

Am Ende hat sich der Kreis geschlossen, und wir akzeptieren das gelegentliche dramaturgische Knirschen der Handlung. Mit Hilfe der grandiosen Hauptdarstellerin Franziska Hartmann gelingt der Regisseurin das Psychogramm einer jungen Frau, die im Teufelskreis zwischen Gewalt und Mutterschaft gefangen ist. Ein mutiger Film, aber nicht ganz geglückt.

Trailer

Im Rahmen der Berichterstattung
ab12

Originaltitel

Monster im Kopf (Deutschland 2023)

Länge

99 Minuten

Genre

Drama

Regie

Christina Ebelt

Drehbuch

Christina Ebelt

Darsteller

Franziska Hartmann, Slavko Popadić, Martina Eitner-Acheampong, Antje Lewald, Katharina Abel, Michael Kamp, Sabine Winterfeldt, Christian Erdmann, Lucia Schulz, Bastian Klang

Verleih

Cologne Cine Collective

Filmwebsite

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