Die Kunst-Avantgarde und das Kino bilden nicht selten eine wunderbare Symbiose. Wer denkt da nicht beispielsweise an das geniale Biopic „Basquiat“ (1996) von Julian Schnabel mit Jeffrey Wright als viel zu jung gestorbener Graffiti-Künstler und David Bowie als Andy Warhol?
In MIT EINEM TIGER SCHLAFEN ergründet die österreichische Filmemacherin Anja Salomonowitz Leben und Werk der Malerin Maria Lassnig (1919-2014). Der Film ist keine klassische Filmbiografie, sondern eine poetische Meditation über die Wechselwirkung von ernüchterndem Alltag und grenzenloser Fantasie. Nur manchmal übertreibt die Regisseurin ihre Geheimniskrämerei und lässt vieles offen. Google vor dem Kinobesuch zu konsultieren, kann dabei nicht schaden.
Das eigentliche Ereignis ist die Leistung der begnadeten Schauspielerin Birgit Minichmayr in der Hauptrolle als Maria Lassnig. Sie verkörpert die Künstlerin in allen Altersstufen – ob mit 6, 19, 64 oder 94! Und das alles ohne Maske oder Make-up – nur mit ihrem ungewöhnlichen Mienenspiel. Eine bravouröse Tour de force!
Maria wächst als uneheliche Tochter bei ihrer Großmutter in der österreichischen Provinz auf – ihre Mutter hatte sie verstoßen – und entdeckt schon früh ihre Liebe zum Zeichnen. Sie mogelt sich ohne Aufzufallen durch die Nazizeit und begeistert sich nach Kriegsende für die moderne Malerei. Der zehn Jahre jüngere aufstrebende Künstler Arnulf Rainer wird ihr Geliebter – dabei muss sie erfahren, dass sie von nun an als „seine“ Epigonin gilt. Welch eine Farce! Aufenthalte in Paris und New York erweitern ihren Horizont – und dann wird sie sogar Professorin an der Kunstakademie, als erste in ihrem Land!
Auch wenn die Regisseurin Anja Salomonowitz vieles nur andeutet – eines wird klar: Maria Lassnig ist und bleibt eine Außenseiterin. Sie ist schrullig und eckt ständig an. In ihren Augen sind ihre Ausstellungen falsch gehängt – außerdem verlangt die Öffentlichkeit, dass ihr Gemälde eines nackten Mannes mit rotem Penis verhängt wird. Doch bis in ihr hohes Alter bleibt sie ungebrochen, trotzig und kompromisslos.
So manches muss sich der Kinobesucher in den 107 Minuten zusammenreimen – nicht alles ist schlüssig umgesetzt. Doch wer sich auf diese meditative Reise einlässt, wird belohnt. Und erlebt ungewöhnliche Einblicke in die österreichische Kunstszene.
Mit einem Tiger schlafen (Österreich 2024)
107 Minuten
Biographie / Drama
Anja Salomonowitz
Anja Salomonowitz
Birgit Minichmayr, Johanna Orsini, Oskar Haag, Lukas Watzl,
Arsenal Filmverleih GmbH