Mein Platz ist hier

15.05.2025

Das Regie-Paar Daniela Porto und Cristiano Bortone erzählt in MEIN PLATZ IST HIER eine ähnliche Geschichte wie Paola Cortellesi in ihrem gefeierten „Morgen ist auch noch ein Tag“. Das düstere Emanzipationsdrama spielt ebenfalls im Jahr 1946, als in Italien das Frauenwahlrecht eingeführt wurde. Eine alleinerziehende Mutter befreit sich mit Hilfe eines schwulen Kirchendieners aus der Enge ihrer konservativ-patriarchalischen Herkunft.

Die 17-jährige Bauerstochter Marta (Ludovica Martino) ist in MEIN PLATZ IST HIER alleinerziehend und wird deshalb diffamiert. Der Vater ihres Sohnes Michelangelo zog in den Krieg und kam nicht zurück. Da hält der deutlich ältere Witwer Gino (Antonino Sgrò) um ihre Hand an. Martas Eltern Mariella (Biancamaria D’Amato) und Saverio (Francesco Biscione) drängen. Widerwillig stimmt die junge Mutter einer Heirat zu. Bei den Hochzeitsvorbereitungen lernt Marta den Homosexuellen Lorenzo (Marco Leonardi) kennen. Eine folgenschwere Begegnung, die einiges in Gang setzt.

Was sofort auffällt: MEIN PLATZ IST HIER überzeugt mit einer zeitgeschichtlichen Detailgenauigkeit und einem naturalistisch-düsteren Look. Die bergige Landschaft rund um das kleine Dorf im armen Süden Italiens ist karg, das Leben auf dem Lande einfach, die Menschen dort das Gegenteil von fortschrittlich. Doch im Hintergrund brodelt es so kurz nach dem Krieg, die Kommunistische Partei formiert sich – und gibt auch Frauen eine Chance. Bildung ist dabei wesentlich für ein besseres Leben in dieser rückständigen, patriarchalischen Gesellschaft.

In der Kirchengemeinde liest Marta die Geschichte der christlichen Märtyrerin Petronilla vor. Das Mitgefühl für die ausgestoßene, verfolgte und gedemütigte Frau ist ihr förmlich anzumerken. Auf dem Nachhauseweg findet Marta in ihrer Manteltasche noch ein Heft. Es handelt von Maria Magdalena, auch eine heilige Außenseiterin. Was sie nicht weiß: Kirchendiener Lorenzo steckt ihr heimlich diese Schriften zu, obwohl Marta den schwulen Mann zunächst abfällig behandelt und als „Schwuchtel“ tituliert.

Marta nutzt dann in MEIN PLATZ IST HIER aber die Verbindungen und Erfahrung des weltgewandten Lorenzo, den sie mit der Zeit zu schätzen weiß. Sie lernt die geheimen Treffpunkte der Lesben und Schwulen kennen, wo rauschende Feste gefeiert und Beziehungen geknüpft werden. Eine Frauenrechtlerin bringt ihr bei, auf der Schreibmaschine zu tippen. Jede freie Minute sehen wir Marta vor der Olivetti, die sie zur Verfügung gestellt bekommen hat. Ihr Ziel: Als Sekretärin selbstbestimmt im Norden Italiens eine Anstellung zu finden.

Ludovica Martino überzeugt als oft schweigsame Heldin Marta mit ihrem nuancenreichen Spiel. Und Marco Leonardi (bekannt als jugendliche Hauptfigur in „Cinema Paradiso“ von Guiseppe Tornatore) gibt als Komplize und Mentor alles. Das bäuerliche, vom Faschismus geprägte Milieu ist realistisch gezeichnet. Nicht von ungefähr erinnert MEIN PLATZ IST HIER an den subtilen Klassiker „Ein besonderer Tag“ von Ettore Scola (mit Marcello Mastroianni und Sophia Loren), der poetisch, aber auch bedrückend in Zwischentönen von einem menschlichen und letztlich auch gesellschaftlichen Drama erzählt.

Das Regie- und Drehbuchautor:innen-Duo Daniela Porto und Cristiano Bortone beleuchtet in dem historisch akkuraten, atmosphärisch eindringlich inszenierten MEIN PLATZ IST HIER (ausgezeichnet mit dem italienischen Kritikerpreis Nastro D‘Argento) auch die bislang kaum bekannte Geschichte der Schwulen und Lesben abseits der großen Städte. Der Verfilmung zugrunde liegt Daniela Portos gleichnamiger Roman. Inspiriert haben sie die Erinnerungen ihrer Mutter, die wie die Filmfiguren aus Kalabrien stammt. Sie erzählte der Tochter von einem Homosexuellen, der von allen im Dorf verachtet wurde, aber sich trotzdem mehr Freiheiten herausnehmen konnte als damals die Frauen.

Trailer

FSK noch unbekannt

Originaltitel

Il mio posto é qui (Italien / Deutschland 2024)

Länge

107 Minuten

Genre

Drama

Regie

Daniela Porto, Cristiano Bortone

Drehbuch

Daniela Porto, Cristiano Bortone

Kamera / Director of Photography (DOP)

Emilio M. Costa

Darsteller

Ludovica Martino, Marco Leonardi, Annamaria De Luca, Bianca Maria D'Amoto, Giorgia Arena, Francesco Aricò, Adele Bilotta, Saverio Malara, Francesco Biscione, Antonino Sgrò, Gianvincenzo Pugliese, Ivan Maria Artuso, Francesco Aiello, Edoardo Malerba

Verleih

Arsenal Filmverleih GmbH

Filmwebsite

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