Filme über Roadtrips, bei denen sich völlig unterschiedliche Menschen zusammenraufen müssen, gibt es zuhauf in der Filmgeschichte. Eileen Byrne ist mit MARIANENGRABEN jetzt ein durch und durch charmanter Vertreter gelungen mit einer wie immer großartigen Luna Wedler an der Seite von Edgar Selge.
Paula (Luna Wedler) trauert. Vor fast genau einem Jahr ist ihr kleiner Bruder Tim in Triest im Meer ertrunken. Von Schuldgefühlen geplagt sitzt sie nun vor seinem Grab auf dem Friedhof. Heute wäre sein zehnter Geburtstag und sie spricht mit ihm – aber es fühlt sich irgendwie nicht richtig an. Als sie versehentlich das Grablicht umwirft und es zerbricht, ertönt aus dem Dunkeln die Stimme von Helmut (Edgar Selge), der sie um Hilfe bittet – er müsse seine Frau Helga aus dem Grab holen und fragt, ob Paula ihm helfen könne. Nach kurzem Zögern willigt sie ein, die beiden werden jedoch von Friedhofsarbeitern überrascht. Hals über Kopf gelingt ihnen die Flucht in Helmuts Wohnmobil. Es stellt sich heraus, dass Helmut die Asche seiner Frau nach Südtirol bringen will. Das trifft sich gut, schließlich möchte sie selbst gerne zur Adria an den Urlaubsstrand, an dem Tim ertrunken ist. Nur dort wird sie sich ihm endlich wieder nahe fühlen können, glaubt Paula. Und so werden die beiden zu unfreiwilligen Mitreisenden. Nach und nach öffnen sie sich einander und finden heraus, dass sie mehr gemeinsam haben, als sie ursprünglich dachten. Doch bis zu dieser Erkenntnis ist es noch ein weiter Weg…
Wie bereits eingangs erwähnt, so neu ist die Idee des Films nun wirklich nicht. Zwei wildfremde und völlig unterschiedliche Menschen zu Reisepartnern wider Willen zu machen – auf dieser Prämisse haben bereits viele Filme aufgebaut – mal mehr und mal weniger erfolgreich. Eileen Byrne gelingt der Spagat zum Glück ziemlich gut. Zwar fügt sie der Grundgeschichte keine neuen Ideen hinzu, dafür kann sie aber auf zwei großartige Darsteller:innen bauen. Edgar Selge zählt ohnehin zu den ausdrucksstärksten Schauspielern, die wir haben, und Luna Wedler zeigt erneut, dass sie es wie kaum eine andere junge Schauspielerin schafft, ihren Figuren immer eine emotionale Tiefe zu geben, die berührt.
Der Film basiert auf dem Debüt-Roman von Jasmin Schreiber, die sowohl als Autorin, aber auch als Biologin und Wissenschaftsjournalistin arbeitet. Kein Wunder also, dass MARIANENGRABEN auch immer ein paar naturwissenschaftliche Fakten einstreut, die den Film wohlwollend von anderen Vertretern des Genres unterscheiden. Und mit seinen gerade mal 87 Minuten schweift der Film auch nicht allzu sehr von seinem eingetretenen Pfad ab, sondern konzentriert sich vollends auf seine Geschichte.
Auch wenn vielleicht nicht alle Gags zünden und manche Stellen arg vorhersehbar sind, zeigt Eileen Byrne in ihrem Langfilm-Regie-Debüt viel Gefühl für ihre Figuren und macht dafür kleine Anfängerfehler schnell wieder vergessen. Wichtig ist, dass MARIANENGRABEN das Herz am rechten Fleck hat – und das ist in jeder einzelnen Szene zu spüren.
Beim Filmfest Hamburg stand mir die Schauspielerin Luna Wedler zu ihrem Film MARIANENGRABEN Rede und Antwort. Wir sprachen über ihre Herangehensweise an Rollen, ob man bei Literaturverfilmungen vorab auch den Roman liest und ob es Rollen aus der Vergangenheit gibt, zu der sie vielleicht einmal zurückkehren möchte – nur um zu sehen, wie es der Figur inzwischen ergangen ist.
Marianengraben (Luxemburg / Italien / Österreich 2023)
87 Minuten
Drama
Eileen Byrne
Eileen Byrne, basierend auf dem Roman von Jasmin Schreiber
Luna Wedler, Edgar Selge, William Vonnemann, Martin Maria Abram, Katarina Grabher, Markus Stolberg, Celina Terán Gómez, Dominik Raneburger, Antonio Salmeri, Anna Stieblich
Alamode Filmdistribution OHG