Kinds of Kindness

Autor: Jan-Barra Hentschel

Mit elf Jahren im Hamburger „Savoy“ bei „Ben Hur“ die Liebe zum Kino entdeckt. Dann kam mit „Blow Up“ und „Belle de Jour“ der „Arthouse-Film“ dazu. Seit 1989 ständiger Filmjournalist für diverse Medien. Jetzt fühlt er sich hier bestens aufgehoben.

Nach dem oscar-prämierten, überbordenden und märchenhaften Wunder von „Poor Things“ stellt uns der griechische Meisterregisseur Yorgos Lanthimos mit dem scheinbar schmucklosen, ja fast nüchternen Episodenfilm KINDS OF KINDNESS (auf deutsch etwa „Arten der Freundlichkeit“) vor eine schier unlösbare Aufgabe. Wie sollen wir Zuschauer uns durch das 164 (!) Minuten lange Labyrinth bewegen, ohne uns dabei zu verirren?

In KINDS OF KINDNESS geht es um so große Themen wie Macht, Kontrolle, freier Wille und die Dynamik menschlicher Beziehungen – und wir sind mitten drin! Ein devoter Angestellter (Jesse Plemons) soll für seinen brutalen Boss (Willem Dafoe), der mit seiner sehr viel jüngeren Geliebten (Margaret Quallay) zusammenlebt, einen unliebsamen Konkurrenten aus dem Weg räumen und einen Autounfall provozieren – doch er scheitert kläglich. Für ihn übernimmt kurzerhand eine junge Schöne (Emma Stone) den Job.

Diese erste Episode hat Regisseur Yorgos Lanthimos überraschend geradlinig und leicht verständlich inmitten einer modernen US-Architektur inszeniert. Doch „freuen“ wir uns nicht zu früh…

In der zweiten Episode sorgt sich ein Polizist (Plemons) um seine auf See verschollene Ehefrau (Stone) – doch bei ihrer Rückkehr scheint sie ein anderer Mensch zu sein. Die dritte Episode spielt in einer ominösen Sekte. Eine ehrgeizige Frau ist auf der Suche nach einem großen spirituellen Führer – doch kann man diesem Mann trauen?

In allen drei Episoden spielen Oscar-Preisträgerin Emma Stone, Willem Dafoe und Jesse Plemons die Hauptrollen. Plemons erhielt dafür beim Filmfestival von Cannes den verdienten Darstellerpreis. Drastische Szenen sind wir von Lanthimos ja schon gewohnt. Doch diesmal übertreibt er ein bisschen. Da fließen ständig Körperflüssigkeiten – und auch eine menschliche Leber muss dran glauben. Weggucken!

Auch ich als bekennender Lanthimos-Fan muss gestehen: Nicht alles hat sich mir bei der ersten Sichtung erschlossen. Manches bleibt rätselhaft, einiges ungelöst. Doch KINDS OF KINDNESS verdient einen zweiten Kinobesuch! So viel ist sicher! Wir Cineasten wissen: Auch nach einem Bergman-Film mussten wir damals lange „brüten“.

Trailer