Julie bleibt still

24.04.2025

Der deutsche Filmtitel JULIE BLEIBT STILL ist irreführend: Die im Titel erwähnte Julie (Tessa Van den Broeck) ist eine hochbegabte junge Tennisspielerin, die ihren Sport nicht gerade geräuschlos betreibt. Nein, Julie schweigt – wie im belgischen Original: „Julie zwijgt“. Warum, bleibt bis zum Schluss offen. Und genau das macht den besonderen Reiz des intensiven Psychodramas von Leonardo van Dijl aus.

Julie ist der Star an einer belgischen Tennisakademie. Als eine andere vielversprechende Nachwuchsspielerin Selbstmord begeht, werden die ungewöhnlichen Methoden des Trainers der beiden Mädchen, Jeremy (Laurent Caron), in Frage gestellt, und er wird suspendiert. Doch was ist genau passiert?

Jeder, der an der Akademie arbeitet oder trainiert, wird bei der anstehenden Untersuchung peinlichen und qualvollen Verhören ausgesetzt – aber Julie schweigt standhaft. Jeder spürt, wie sie leidet und ein schreckliches Geheimnis mit sich herumschleppt. Doch sie lässt niemanden an sich heran, nicht einmal ihre Eltern. Ihr einziges Ziel: Sie will auch unter dem neuen Trainer weiterarbeiten, um es bis in die „Junior Pro“ des belgischen Tennisverbands zu schaffen. Sie will ihren Kopf für diesen Traum frei halten, und klinkt deshalb jede Art von Ablenkung dabei aus. Ein klassischer Fall von Verdrängung…

Jedem Kinozuschauer ist wohl klar, um was es hier geht (und das ist kein Spoiler) – obwohl die beiden Wörter während der 104 Minuten nie ausgesprochen werden: „sexueller Missbrauch“! Doch ist es das wirklich? Regisseur Leonardo van Dijl lässt jedem von uns die Wahl: Vielleicht war ja „nur“ Machtmissbrauch – was schon schlimm genug ist. In JULIE BLEIBT STILL ist der mündige Zuschauer gefragt, der sich sein eigenes Urteil bilden muss. Es gibt Kinofans, die am Ende eines Films eine Auflösung erwarten. Diesen Service bietet Leonardo van Dijl uns nicht. Das mag frustrierend sein, gibt aber genug Material für die heiße Diskussion danach.

Auch wenn man es nicht weiß, kann man es erahnen: Die Dardenne-Brüder, seit Jahrzehnten die Regie-Stars des schonungslos realistischen Kinos in Belgien, haben diesen Film mitproduziert. Das sieht man! In ähnlich nüchternem Bildstil wie die Dardennes haben der Regisseur und sein Kameramann Nicolas Karakatsanis das schweißtreibende und einsame Leben einer ehrgeizigen Sportlerin eingefangen.

Und diese Tessa Van den Broeck ist als Julie eine Offenbarung: Sie wurde offensichtlich als (Weltklasse-)Tennisspielerin gecastet und musste das Schauspielern in ihrem Debüt erst lernen. Doch wie sie in dieser Rolle aufgeht, wie man in jeder Sekunde den Kummer und Schmerz in ihrem Gesicht abliest – das ist schlichtweg sensationell!

Nicht jeder mag diese Art Kino des Ungewissen. Ich schon!

Trailer

Im Rahmen der Berichterstattung
ab12

Originaltitel

Julie Keeps Quiet (Belgien / Schweden 2024)

Länge

104 Minuten

Genre

Drama

Regie

Leonardo van Dijl

Drehbuch

Leonardo van Dijl, Ruth Becquart

Kamera / Director of Photography (DOP)

Nicolas Karakatsanis

Darsteller

Tessa Van den Broeck, Grace Biot, Alyssa Lorette, Ruth Becquart, Koen De Bouw, Pierre Gervais, Claire Bodson, Laurent Caron

Verleih

eksystent Filmverleih Kijas

Filmwebsite

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