JOYLAND von Saim Sadiq war der erste pakistanische Film, der bei den Filmfestspielen von Cannes präsentiert wurde – und er gewann 2022 gleich den Jurypreis der Sektion „Un Certain Regard“. Und zusätzlich die „Queer Palm“! Das sind schon viele Vorschusslorbeeren. Wir dürfen jetzt das Resultat überprüfen.
Typisch für einen Erstling: Regisseur Saim Sadiq wollte mit seinem Spielfilmdebüt einfach zu viel – JOYLAND ist hemmungslos überladen. Saim Sadiq hatte die an für sich geniale Idee, uns den Alltag im pakistanischen Lahore mit all seinen Facetten lückenlos zu zeigen, doch dabei hat er sich leider total verzettelt. Ein unglaublich sympathischer Versuch – doch um welchen Preis?
Der Tagträumer Haider (Ali Junejo) ist der jüngste Sohn einer von seinem konservativen, im Rollstuhl sitzenden Vater (Salmaan Peerzada) patriachisch geführten Familie. Als Arbeitsloser hilft er seiner hochschwangeren Schwägerin im Haushalt und bei der Erziehung ihrer drei Töchter. Haiders Ehefrau Mumtaz (Rasti Farooq) bringt als erfolgreiche Kosmetikerin das Geld nach Hause – doch ihre Ehe ist bislang kinderlos. Auch das vierte Kind der Schwägerin wird ein Mädchen – und so stellt sich für den Patriarchen die Frage: Wo bleibt mein Enkel, der für den Erhalt der Familie sorgen soll?
Haider erhält die Chance, Background-Tänzer in einem erotischen Theater zu werden. Um den eigentlichen Job geheim zu halten, behauptet er vor seiner Familie, Theatermanager geworden zu sein. Bei den Proben kommt er dem Star des Ensembles, der Trans-Tänzerin Biba (Alina Khan), näher und verliebt sich in sie/ihn. Die neue Erfahrung macht ihn total unsicher: Was ist meine sexuelle Ausrichtung? Das bleibt seiner Frau nicht verborgen, die an ihrem Mann zweifelt. Zu allem Überfluss ist sie nach jahrelangen Versuchen endlich schwanger: Es wird ein Junge!
Regisseur und Co-Drehbuchautor Saim Sadiq (gemeinsam mit Maggie Briggs) lässt nun wirklich nichts aus. Brauchen wird das? Ich habe so meine Zweifel. Denn das pathetische Finale ist kaum zu ertragen…
Die unübersehbare Poesie von JOYLAND und die gekonnte Professionalität des Regisseurs hatten in Cannes viele überzeugt. Mich in Hamburg leider nicht. Was aber für den Film spricht: Auch ich kann mich irren!