Für das Drama IN DEN BESTEN HÄNDEN braucht man als Zuschauer starke Nerven – oder gleich einen Morphium-Zugang. Warum es sich trotzdem um einen sehenswerten Film handelt…
Die Comiczeichnerin Raphaela (Valeria Bruni Tedeschi) und die Verlegerin Julie (Marina Foïs) sind bereits seit mehr als zehn Jahren ein Paar. Doch langsam ist die Luft raus, die Beziehung scheinbar am Ende. Während die beiden sich wieder einmal streiten, stürzt Raphaela und bricht sich den Arm. Umgehend finden sich die beiden in der Notaufnahme eines Pariser Krankenhauses wieder. Während draußen die wilden Proteste der sogenannten Gelbwesten toben, und die Polizei mit schwerem Aufgebot dagegen vorgeht, füllt sich die Notaufnahme mit immer mehr verletzten Demonstranten. Das Personal ist am Ende, die Nerven liegen blank. Als dann noch der wütende LKW-Fahrer Yann (Pio Marmaï) zu Raphaela ins Zimmer verlegt wird, prallen Welten aufeinander. Vorurteile und Klassen-Ressentiments heizen die Stimmung auf, aus der es scheinbar kein Entkommen gibt.
Es ist laut, es wird geschrien, es ist hektisch: Schon nach wenigen Minuten in der Notaufnahme möchte man als Zuschauer ganz schnell den Saal verlassen. Hier weiter zuzusehen, ist unfassbar anstrengend. Und das Schlimme: So schnell wird sich die Stimmung hier nicht verbessern. Also heißt es Augen zu und durch.
Zugegeben, ich habe mich so manches Mal gefragt, wer sich diesen Film freiwillig ansehen möchte, und ich verstehe meine Kollegen, die von den Geschehnissen auf der Leinwand nur noch genervt waren. Doch das ist ein wenig zu kurz gedacht, wie ich finde.
IN DEN BESTEN HÄNDEN gelingt nämlich etwas ganz Wunderbares: Der Film bricht den Streit, der auf den Straßen herrscht, auf eine kleine Gruppe von Menschen herunter. Dort prallen Weltansichten aufeinander, die scheinbar mehr trennt als verbindet. Wo niemand bereit ist, auch nur einen Millimeter von seiner starren Meinung abzuweichen, scheint ein friedlicher Dialog nicht mehr gegeben zu sein. Doch wenn man sich dazu bereit erklärt, seinem Gegenüber auch einmal zuzuhören, dann könnte ein Gespräch vielleicht doch wieder möglich sein. Dass diese Erfahrung ausgerechnet durch einen ultranervigen Film erfolgt ist, ist in meinen Augen bemerkenswert.
Doch der Film schafft noch etwas: Er verbildlicht den Stress, den gerade die Mitarbeiter einer Notaufnahme täglich ausgesetzt sind. Wir könnten theoretisch den Kinosaal verlassen, aber so etwas ist den Mitarbeitern dort absolut nicht vergönnt.
Vielleicht ist Menschen, die sich bereits in ihrem täglichen Leben einem solchen Streß aussetzen müssen, IN DEN BESTEN HÄNDEN nicht wirklich zu empfehlen, aber allen anderen sei der Film durchaus ans Herz gelegt, könnte er doch für ein wenig mehr Verständnis sorgen. Und das ist etwas, von dem wir alle in der heutigen Zeit eine ganze Menge mehr gebrauchen könnten.
La Fracture (Frankreich 2021)
99 Minuten
Tragikomödie / Drama
Catherine Corsini
Catherine Corsini, Laurette Polmanss, Agnès Feuvre
Marina Foïs, Valeria Bruni Tedeschi, Pio Marmaï, Aissatou Diallo Sagna, Caroline Estremo, Jean-Louis Coulloc’h, Camille Sansterre, Marin Laurens, Ferdinand Perez
Alamode Filmdistribution OHG