Im Gespräch mit Jennifer Connelly

Der Film AMERIKANISCHES IDYLL hat in diesem Jahr das Filmfest Hamburg eröffnet. Wir haben die Gelegenheit genutzt und uns mit der Hauptdarstellerin Jennifer Connelly zum Interview getroffen. Die heute 46-jährige Schauspielerin steht bereits seit ihrem elften Lebensjahr vor der Kamera und wurde in den Catskill Mountains im US-Bundesstaat New York geboren. 

 

Wie erleben Sie selbst den ersten Drehtag eines neuen Filmes? Ist es immer noch ein besonderer Tag? Oder ein nervenaufreibender Tag, selbst wenn man perfekt vorbereitet ist?

Der Zeitraum, bevor ich für all die vorbereitenden Dinge wie Proben und Meetings anreise, ist für mich immer am nervenaufreibendsten, denn zu diesem Zeitpunkt hängt irgendwie noch alles in der Luft. Aber die Proben geben mir dann eine gewisse Sicherheit, denn dort lernst Du die anderen Menschen kennen, fällst die ersten Entscheidungen. An den ersten Drehtagen sind natürlich auch alle ein wenig nervös, aber nicht so sehr, wie in den Wochen vor der Anreise.

War es denn bei AMERIKANISCHES IDYLL etwas anderes, da der Regisseur Ewan McGregor ja selbst ein Schauspieler ist?

Jeder Regisseur ist anders und jede Erfahrung unterscheidet sich. Aber es war sehr angenehm, mit ihm zu drehen, denn er hat seinen eigenen Stil. Ich weiß nicht, ob es so ist, weil er auch Schauspieler ist und dadurch vielleicht ein gewisses Verständnis dafür hat, wie andere Schauspieler arbeiten, aber er war seinen Darstellern gegenüber sehr behilflich und unterstützend.

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Sie spielen nicht zum ersten Mal eine Frau, die mit psychologischen Problemen zu kämpfen hat. Haben Sie ein besonderes Interesse an solchen Rollen?

Ich verfolge nicht das Ziel solche Rollen zu finden und eigentlich war das auch nicht der Teil der Geschichte, die mich gereizt hat. Es ist eine faszinierende Komponente ihrer Persönlichkeit, aber es war für mich nicht das wichtigste Verkaufsargument. Mich hat vielmehr ihre gesamte Erscheinung und das was sie erlebt fasziniert. Ich denke, das ist lediglich eine Facette von dem, was sie durchmacht.

Was Sie denn als allererstes an der Figur gereizt?

Ich denke, dass die Reise, die sie macht, sehr interessant ist. Im Buch geht es unter anderem darum, wie schnell wir uns eine Meinung über andere bilden. Das ist etwas extrem Aktuelles, wenn wir uns einmal den aktuellen Wahlkamp in den USA anschauen. Hillary Clinton hat darüber bereits gesprochen und das Buch erzählt, wie wir einander missverstehen. Die Figuren kämpfen mit den Vorstellungen, die sie von den anderen haben und auch Dawn trägt schwer daran, wie die Menschen in ihrer Umgebung sie als ehemalige Schönheitskönigin sehen. Als junge Frau war sie einst Miss New Jersey und das verfolgt sie noch immer. Sie entfernt sich davon und versucht, sich gegensätzlich davon zu definieren, aber es kommt trotzdem immer wieder zu ihr zurück. Das fand ich interessant und bewegend, aber genauso auch ihre Suche nach etwas Verlässlichem. Die Beziehung zu ihrer Tochter und zu ihrem Mann ist sehr schön, aber auch herzzerbrechend. Man kann in ihrer Reaktion auf ihr Verschwinden förmlich spüren, wie sehr sie ihre Tochter liebt. Die Wahl, die sie trifft, um sich selbst wieder aufzubauen und weitermachen zu können, nachdem alles zusammen gebrochen ist, ist sehr tragisch und interessant.

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An welche Rollen Ihrer Karriere erinnern Sie sich am liebsten zurück?

Eigentlich an alle, aber meist aus unterschiedlichen Gründen. Mal sind es die Menschen, mit denen man gearbeitet hat, mal das Projekt, das Material, die Figur oder vielleicht sogar das Land, in dem man zuvor noch nicht gewesen war.

Aber A BEAUTIFUL MIND muss Ihnen doch in besonderer Erinnerung geblieben sein, schließlich ist im Anschluss so einiges passiert – Sie haben einen Oscar für ihre Rolle gewonnen und Ihren Ehemann am Set kennengelernt?

Das war eine ganz wunderbare Erfahrung und ich habe es geliebt, mit Ron Howard zu arbeiten. Als ich das Drehbuch gelesen hatte, dachte ich nur, wie gerne ich diese Rolle spielen würde, aber dass sie sie mir niemals geben würden. Und dann durfte ich doch diesen Film drehen und war so dankbar dafür. Es war wirklich eine Erfüllung für mich und von Anfang bis Ende ein wunderbare Erfahrung.

Können Sie sich denn noch daran erinnern, wie sie sich gefühlt haben, als Sie dann ihren Oscar entgegen nehmen durften?

Es war sehr furchteinflössend und ich erinnere mich daran, dass ich nur gesehen habe, wie viel Sekunden ich noch habe. Es war wie eine ausserkörperliche Erfahrung. Ich werde vermutlich niemals gänzlich verstehen, was dort geschehen ist.

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Da wir gerade beim Thema Errungenschaften sind: Haben Sie selbst auch schon einmal den Drang verspürt, hinter die Kamera zu wechseln, so wie es Ewan McGregor hier getan hat?

Ja, ich habe darüber nachgedacht, denn eigentlich habe ich sehr wenig Kontrolle darüber, was ich mache. Ich habe durchaus Vorstellungen, was ich durch eine Figur ausdrücken möchte, aber letztendlich entscheiden das der Regisseur und der Cutter. Ich glaube, es wäre toll, wenn man einmal die Erfahrung machen könnte, mehr in das endgültige Projekt involviert zu sein.

Wenn Sie selbst Regie führen würden, haben Sie dafür bereits ein Genre vor Augen, dass Sie besonders reizen würde?

Ich weiß es nicht, denn ich habe keine unmittelbar bevorstehenden Pläne. Ich liebe, was ich derzeit mache. Da ich einen Fünfjährigen zu Hause habe, gefällt es mir, mich für die Drehzeit komplett auf den Film zu konzentrieren, danach aber nichts mit dem anschließenden Prozess zu tun zu haben. Ich bin dann zu Hause bei meinem Kind und meinem Ehemann und das gefällt mir momentan.

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Wie haben Sie denn Ewan McGregor als Regisseur wahrgenommen? Gab es Momente, in denen er besonders nervös war?

Ich hatte nicht den Eindruck, dass er nervös war. Er wirkte auf mich sehr selbstsicher. Er war ja sicherlich auch bereits auf etlichen Filmsets zugegen. Er war immer sehr gut vorbereitet und hatte sich ein sehr gutes Team von Menschen zusammen gestellt. Er hatte einen tollen Director of Photography, aber auch alle anderen haben extrem gut harmoniert. Es war ein sehr glückliches Set ohne Dramen oder Zwietracht.

Gab es während des Drehs Szenen, an die Sie sich besonders erinnern? Vielleicht weil sie besonders schwierig waren?

Da gibt es verschiedene Szenen, aber aus unterschiedlichen Gründen. Es gibt eine kurze Szene, in der ich nackt in der Fabrik erscheine und die es so nicht im Buch gibt. Das fühlte sich für mich wie eine Herausforderung an, da sie Szene nur sehr spärlich beschrieben war und ich gar nicht wusste, wie ich sie angehen sollte. Und dann gibt es Szenen, die physisch anstrengend sind, wie zum Beispiel die Szene, in der ich versuche, mit einem Bullen einen Berg hinabzusteigen. Aber so ein Bulle möchte eben viel lieber seinen eigenen Weg gegen und nicht zwingen dorthin, wo ich hingehen möchte. Ich habe zwar versucht, sehr energisch zu sein, aber natürlich habe ich keine Chance bei einem solch riesigen Bullen. Das war eine ziemliche Herausforderung.

In der Regel werden Sie immer wieder auf ernsten Rollen besetzt. Hätten Sie nicht auch einmal Interesse an einer Komödie?

Aber sicher! Ich bekomme sie nur leider nicht wirklich angeboten. Es gab zwar ein paar wenige, aber die hörten sich nicht besonders gut an.

Es gibt viele Kollegen, die sich selbst einfach nicht auf der Leinwand sehen können. Wie sieht das bei Ihnen aus?

Ich würde es sicherlich nicht machen, um mich zu entspannen. Wenn wir einen Filmabend machen, würde ich absolut niemals einen Film auswählen, in dem ich mitgespielt habe. Ich schaue sie zwar, aber eigentlich nur ein einziges Mal. Ich glaube, den einzigen Film, den ich später noch ein weiteres Mal gesehen habe, war LABYRINTH, weil meine Kinder ihn sehen wollten. Vermutlich ist das auch der einzige Film von mir, den meine Kinder jemals sehen können.

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Wie erinnern Sie sich denn an den gerade verstorbenen David Bowie, mit dem Sie ja in LABYRINTH vor der Kamera standen?

Ich habe ihn geliebt. Er war lustig und sehr freundlich zu mir und zu jedem Mitglied der Crew. Nicht wie eine „Space Oddity“, sondern ein wirklich netter Kerl. Er war ein brillanter Künstler, daher ich unglaublich viel Respekt vor ihm.

Sie haben in früheren Interviews erwähnt, dass Ihnen zu Beginn gar nicht bewusst war, was für eine Ikone er war. Wann ist Ihnen das bewusst geworden und und haben Sie sich jemals wiedergesehen?

Ich habe zu dem Zeitpunkt nicht seine Musik gehört. Meine beste Freundin zu diesem Zeitpunkt war musikalisch gesehen wesentlich kultivierter als ich, was man allein schon an ihrer perfekten 80er-Jahre-Frisur erkennen konnte. In ihrem Zimmer waren die Wände voller Poster von David Bowie, aber als ich dann den Film drehte, hat sie sie plötzlich alle abgenommen und behauptet, er wäre inzwischen einfach nicht mehr cool. Kinder können schon grausam sein. (lacht) Ich habe mir seine Musik dann nach dem Dreh angehört, weil ich so beeindruckt von ihm war – und das tue ich noch heute.

Was haben Sie zu dem Zeitpunkt für Musik gehört, wenn es nicht David Bowie war?

Ich glaube, ich war zu dem Zeitpunkt gerade mal 14 Jahre alt, da gab es nicht wirklich jemanden, an den ich mich erinnere. Das begann eigentlich erst wirklich mit David Bowie. Dann habe ich aber auch Bands gehört wie The Smiths oder The Cure.

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Können Sie uns schon etwas zu Ihren Plänen für die nächsten Wochen und Monate erzählen?

Ich habe in diesem Sommer bereits einen Film mit dem Titel GRANITE MOUNTAIN gedreht. Das wird der nächste Film sein, der herauskommt. Er basiert auf einer wahren Geschichte und es geht darin um einen Waldbrand und ein Team, die diesen Brand bekämpft und dem 19 ihrer Teammitglieder zum Opfer fallen. Darüber hinaus habe ich mich aber noch nicht entschieden, was ich als Nächstes machen werde.

Vielen Dank für das Interview.

Das Interview haben wir am 28.09.2016 im Rahmen vom Filmfest Hamburg geführt.

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