Igor Levit: No Fear

06.10.2022

Der 1987 im damaligen Gorki (inzwischen heißt die Stadt wieder Nischni Nowgorod) geborene Igor Levit emigrierte 1995 mit seiner Familie als jüdische Kontingentflüchtlinge nach Deutschland und wuchs in Hannover auf. Inzwischen gilt er weltweit als einer der besten Konzertpianisten seiner Generation. Die Dokumentarfilmerin Regina Schilling durfte den Musiker von Mai 2019 bis Dezember 2020 mit der Kamera begleiten. Herausgekommen ist mit IGOR LEVIT – NO FEAR ein sensationeller Film, der seinesgleichen sucht.

Rechtzeitig zum „Beethoven-Jahr“ 2020 (250. Geburtstag) hatte Levit alle 32 (offiziellen) Sonaten des Komponisten im Studio eingespielt. Diese CD-Box wurde Ende 2019 mit einem großen Medienrummel veröffentlicht. In einem der begleitenden Interviews wurde der Pianist gefragt: „Was ist das Besondere an Beethoven?“ Levit: „Seine Musik ist furchtlos!“

Zu Beginn des neuen Jahres sitzen Regina Schilling und Igor Levit in einem Taxi, und sie fragt ihn nach seinen Vorsätzen für 2020. „Durchhalten! Ich habe 108 Konzerte eingeplant, also praktisch an jedem dritten Tag.“ Doch es sollte alles anders kommen. Am 10. März, seinem 33. Geburtstag, probt und spielt er in der Hamburger Elbphilharmonie. Es wird für eine lange Zeit sein letzter öffentlicher Auftritt: Am nächsten Tag beginnt der Lockdown.

Was macht ein Künstler, der von einem Tag auf den anderen den Kontakt zu seinem Publikum verloren hat? Bevor er in seiner Berliner Wohnung in Depressionen verfällt, kommt er auf eine geniale Idee: Jeden Tag um 19 Uhr setzt er sich an seinen Flügel und spielt ein Hauskonzert, das er per Twitter und Instagram überträgt – 52-mal! Und die Fangemeinde wächst von Tag zu Tag. Hier hat es jemand verstanden, aus der Not eine Tugend zu machen.

Man muss nicht unbedingt ein Beethoven-Experte sein, um diesen Film zu mögen. Doch immer wieder erklingen Teile aus den 32 Sonaten, die Levit technisch makellos und mit unglaublicher Leidenschaft interpretiert. Und die Kamera ist immer hautnah dabei. Im Finale der „Waldstein“-Sonate rinnt ihm der Schweiß vom Kopf auf die Tasten – doch er hat keine Hand frei, um ihn wegzuwischen. Bei einer Aufnahme-Session in einer Berliner Kirche kämpft er mit einem der schwierigsten Stücke der Klavier-Literatur, der „Passacaglia on DSCH“ des Briten Ronald Stevenson (1928-2015). Auf seinem Hocker sitzend, scheint Levit schier zu verzweifeln. Immer wieder quält er sich durch die halsbrecherischen Passagen – doch nichts will gelingen. Nicht einmal sein Produzent und Tonmeister im Nebenraum kann ihn trösten.

IGOR LEVIT – NO FEAR lebt von der faszinierenden Ausstrahlung des Ausnahme-Pianisten. Hier gelingt es einem unglaublich sympathischen Menschen, uns Zuschauer und Zuhörer für die klassische Musik zu begeistern. Wir erleben auch einen zutiefst politischen Zeitgenossen, etwa bei einer Podiumsdiskussion mit Wolfgang Schäuble im Hamburger Thalia-Theater. In der letzten Szene sitzt er dick eingemummelt im winterlichen Dannenröder Forst und spielt für die Demonstranten. Welch ein Mann! Welch ein Film!

Trailer

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Originaltitel

Igor Levit: No Fear (Deutschland 2022)

Länge

119 Minuten

Genre

Dokumentation

Regie

Regina Schilling

Drehbuch

Regina Schilling

Darsteller

Igor Levit, Andreas Neubronner, Franz Welser-Möst, Markus Hinterhäuser, Antonello Manacorda

Verleih

Piffl Medien GmbH

Filmwebsite

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