Der britische Filmregisseur Ridley Scott fühlt sich in allen Genres zu Hause: Sein gewaltiges Œuvre reicht von den Science-Fiction-Klassikers „Alien“ und „Blade Runner“ über die Historien-Epen wie „Gladiator“, „Königreich der Himmel“ und dem aktuellen Mittelalter-Drama „The Last Duel“ bis zur bizarren Winzer-Komödie „Ein gutes Jahr“. Bei ihm weiß man nie, woran man ist. Das spricht für ihn! Nach „Alles Geld der Welt“ (2017) über die spektakuläre Entführung des Getty-Enkels (wohl jeder hat noch das abgeschnittene Ohr in Erinnerung!) hat Ridley Scott jetzt mit HOUSE OF GUCCI (in Starbesetzung) wieder einen Film über die Reichen und Schönen gedreht – auch diesmal mit kriminellem Hintergrund.
Das Ende ist bekannt: Am 27. März 1995 wurde Maurizio Gucci, millionenschwerer Erbe des italienischen Modeimperiums Gucci, auf offener Straße vor seinem Büro in Mailand erschossen – offenbar die Tat eines Profikillers. Wie es dazu kam, blättert Scotts unglaublich unterhaltsamer Film in 158 Minuten auf.
Als wäre es ein Film von Federico Fellini: Ganz im Stil des Meisterregisseurs kreiert Ridley Scott das glamouröse Leben der italienischen Oberschicht – mit perfektem Oberflächenglanz und grellen Farben. Die allgegenwärtige Seifenoper ist nicht fern! Doch das ist Absicht, denn Scott versteht sein Handwerk. Schon Alfred Hitchcock wusste: Oberstes Ziel im Kinosaal ist es, das Publikum zu manipulieren.
Der eher schüchterne Jurastudent Maurizio Gucci (Adam Driver) wird von der energischen Patrizia Reggiani (Lady Gaga), Tochter eines zwielichtigen Truck-Unternehmers, auf einer Party verführt. Sein konservativer Vater Rodolfo Gucci (Jeremy Irons) ist gegen die Verbindung („Sie will doch nur dein Geld!“), doch Maurizio heiratet Patrizia trotzdem – und wird prompt aus der Familienvilla verstoßen. Aber Onkel Aldo (Al Pacino), Chef der New Yorker Filiale, holt ihn nach Amerika und baut ihn als künftigen Gucci-Erben auf. Denn auf Aldos trotteligen und dicklichen Sohn Paolo (eine Glanzleistung mit künstlicher Halbglatze: Jared Leto) ist kein Verlass. Für mich ein Höhepunkt des Films: Maurizio – frisch in den USA angekommen – kauft mitten in Manhattan bei den Straßenhändlern illegale Gucci-Kopien auf und präsentiert sie seinem Onkel. Dessen trockener Kommentar: „Na und! Gucci ist Gucci!“ Klasse, das sagt alles! Geld regiert die Welt – ob mit oder ohne Lizenz.
Doch das Ende ist nah: Maurizio und Patrizia entfremden sich, als er in St. Moritz seine alte Freundin Paola Franchi (Camille Cottin) wieder trifft. Außerdem versucht ein US-bahrainsches Konsortium, Gucci-Anteile zu übernehmen. Als Maurizio die Scheidung einreicht, fasst Patrizia einen folgenschweren Entschluss – angestachelt von ihrer Kartenlegerin Pina Auriemma (Salma Hayek!). Der Rest ist blutig!
Auch wenn die Accessoires und die modische Kleidung selten im Mittelpunkt stehen – es geht wirklich um Gucci. Am Ende wird Tom Ford (Reeve Carney) als Designer engagiert – genau der, der Jahre später die beiden denkwürdigen Filme „A Single Man“ und „Nocturnal Animals“ gedreht hat. Wer genau zuschaut und hinhört, findet viele von diesen Bezügen.
Was wohl niemand vermutet hat: Ridley Scott ist hier nicht nur perfektes Blockbuster-Kino gelungen, sondern auch ein intellektueller Film voller raffinierter Bezüge. Die überraschend gute Lady Gaga als geldgeile Ehefrau und der sensationelle Jared Leto als überforderte Dumpfbacke sind die Stars des Films, der uns alle begeistert. HOUSE OF GUCCI hat (in der Originalfassung) nur ein Problem: Ridley Scott hatte leider alle seine Schauspielerinnen und Schauspieler dazu verdonnert, mit einem (in meinen Ohren) dämlichen italienischen Akzent zu reden. Für Al Pacino und die italienisch-stämmige Lady Gaga (richtiger Name: Stefani Joanne Angelina Germanotta) ist das natürlich fast normal – aber Jeremy Irons und Adam Driver wirken im Verlauf des Films ziemlich unbeholfen, so bizarr sprechen zu müssen. Das ist aber nur ein Schönheitsfehler!
House of Gucci (USA 2021)
158 Minuten
Drama / Biografie
Ridley Scott
Becky Johnston, Roberto Bentivegna, nach dem Buch "House of Gucci" von Sara Gay Forden
Lady Gaga, Adam Driver, Jared Leto, Jeremy Irons, Jack Huston, Salma Hayek, Al Pacino
Universal Pictures International Germany GmbH