Eine fest montierte Kamera schaut auf die Wildnis. Ein Dinosaurier rennt durchs Bild. Ein Hirsch wird vom Pfeil eines indigenen Mannes getroffen. Dieser Mann überreicht einer Frau eine Halskette. Später erfolgt das Begräbnisritual dieser Frau. Irritierend genug: Genau so fängt das Familienmelodram HERE von Hollywood-Starregisseur Robert Zemeckis an.
Verdutzt reibt sich der Zuschauer die Augen: Daraus soll sich in 104 Minuten ein Filmdrama entwickeln? Mastermind Zemeckis hat die beiden Stars aus dem Welterfolg „Forrest Gump“ – Tom Hanks und Robin Wright – wieder an seine Seite geholt, um diesmal nichts weniger als die Geschichte der Menschheit filmisch zu beleuchten – wie in einer Zeitreise durch die Generationen. Kann das funktionieren?
Das US-Theater war in den 1930er- bis 1950er-Jahren geprägt von Stilisierung, Allegorie und symbolischer Überhöhung. So mancher von uns durfte in der Schule Klassiker wie „Unsere kleine Stadt“ von Thornton Wilder oder „Der Tod eines Handlungsreisenden“ von Arthur Miller über sich ergehen lassen. Nach diesem Prinzip schrieben Zemeckis und Eric Roth das Drehbuch, basierend auf der Graphic Novel von Richard McGuire. Kein Wunder, dass das Theaterhafte im ganzen Film spürbar ist. Dabei ist natürlich die Gefahr sehr groß, dass man dabei ins Didaktische oder Prätentiöse abgleitet. Und dieser Gefahr entgeht Zemeckis leider nicht.
Irgendwann wird im Hintergrund ein Herrenhaus errichtet – und davor lagern Soldaten. Offenbar befinden wir uns mitten im US-amerikanischen Bürgerkrieg. Dann wird endlich gegenüber dem feudalen Herrenhaus auf dieser Seite der Straße eine kleine Villa mit einem großen Wohnzimmer gebaut. Und in diesem Raum wickelt sich von nun an das ganze Geschehen ab. Um die starre Blickrichtung aufzulockern, fügen Zemeckis und sein Kameramann Don Burgess – quasi als „gerahmte“ Inserts – immer wieder Teile des Raumes einer anderen Zeitebene als Überblendeffekt in das Szenenbild ein. So fühlt man sich bisweilen wie in einer Kunstinstallation. Das ist natürlich gewöhnungsbedürftig.
Dann ziehen Al (Paul Bettany) und Rose Young (Kelly Reilly) in das Haus ein und machen das Wohnzimmer heimelig. Erster Weltkrieg, Wirtschaftskrise, Zweiter Weltkrieg, der Aufbruch in den 1950er-Jahren. Richard (Tom Hanks), der Sohn von Al und Rose, verliebt sich in Margaret (Robin Wright) und heiratet sie. Die Szenen mit diesen beiden Schauspielern als junge Menschen wurden übrigens mit Hilfe „digitaler Verjüngung“ („de-aging“) gedreht – und so erleben wir Tom Hanks und Robin Wright noch einmal in der Blüte ihres Lebens.
Was folgt, ist eine Familiensaga im Stil von „Vom Winde verweht“: Liebe, Leid und Tod, Lachen und Weinen, Kummer und Trost, Herz und Schmerz – und das alles in nur einem Raum. Erst ganz am Schluss passiert das, was wir kaum noch zu hoffen gewagt hatten: Die Kamera gerät in Bewegung…
HERE ist ein filmisches Experiment, für Hollywood-Verhältnisse fast schon ein Wagnis. Wie bereit sind die Zuschauer weltweit, sich darauf einzulassen? Dieser ungewöhnliche Film bewegt sich irgendwo zwischen Kolportage, Kitsch und Kunstgehabe. Meist dazwischen! Und meistens nicht sehr überzeugend!
Here (Drama)
104 Minuten
Drama
Robert Zemeckis
Robert Zemeckis, Eric Roth, basierend auf der Graphic Novel von Richard McGuire
Don Burgess
Tom Hanks, Robin Wright, Paul Bettany, Kelly Reilly
DCM Film Distribution GmbH