Gehen und Bleiben

20.07.2023

Ein Schriftsteller und seine Landschaft – der Dokumentarfilm GEHEN UND BLEIBEN von Volker Koepp ist eine einzige Liebeserklärung. Der 1934 im heutigen (polnischen) Pommern geborene Uwe Johnson kam sein Leben lang nicht los von den Schönheiten, die ihm Mecklenburg-Vorpommern bot. Und Volker Koepp versucht auf eindrucksvolle Weise, diese Faszination zu ergründen. Dabei lässt er sich viel Zeit – der Film dauert 168 (!) Minuten.

Der Film beginnt im englischen Sheerness on Sea an der Themsemündung, wo Johnson die letzten zehn Jahre seines mit 49 Jahren viel zu kurzen Lebens verbrachte. Die Kamera schwenkt über den Strand des Nordsee-Badeorts, und ein einheimischer Sänger intoniert einen Folksong. Poetischer kann eine literarische Meditation nicht beginnen.

Der Regisseur trifft ehemalige Weggefährten und Literatur-Experten, aber auch den Filmemacher Hans-Jürgen Syberberg. Und immer wieder blenden Koepp und sein Kameramann Uwe Mann die traumverlorenen Landschaften von Mecklenburg-Vorpommern ein. Natürlich dürfen dabei die Steilküste und windumtosten Bäume von Fischland nicht fehlen – Uwe Johnsons Bild vom Paradies, das er auch später in West-Berlin, New York und England nie vergaß.

Von Anfang an hatte Johnson Probleme mit der DDR-Führung. Als er im Osten keinen Verlag fand, knüpfte er Kontakte mit dem Suhrkamp Verlag in Frankfurt und emigrierte 1959 in den Westen. Sein Debütroman „Ingrid Babendererde“ wurde von Siegfried Unseld zwar abgelehnt, aber sein zweiter Roman „Mutmaßungen über Jakob“ war DIE literarische Sensation jener Tage. Nach weiteren Erfolgen zog es ihn nach New York, wo er mit „Jahrestage“ einen der bedeutendsten Romane des 20. Jahrhunderts schrieb. Hier verzahnte er die „New York Times“-Lektüre seiner Protagonistin Gesine Crespahl mit Erinnerungen an Mecklenburg-Vorpommern.

Bei dem auf vier Bände angelegten Projekt versandete nach Band 3 Johnsons Inspiration. Er zog nach Sheerness on Sea und musste zehn Jahre lang mit seinem „Writer’s Block“ und seinem schweren Alkoholismus kämpfen. Den vierten Band schaffte er gerade noch – doch ein Jahr später war er tot. Welch ein schreckliches Ende: Uwe Johnson lag drei (!) Wochen tot in seiner Wohnung, ehe er gefunden wurde.

Auch der im mecklenburgischen Goldberg aufgewachsene Schauspieler Peter Kurth kommt ausgiebig zu Wort. Seine Johnson-Zitate wirken dabei unglaublich intensiv. Und auch Uwe Johnson ist seiner spröden mecklenburgischen Mundart ständig zu hören.

Nach diesen faszinierenden 168 Minuten, die keine Sekunde zu lang sind, gibt es für den Kinozuschauer nur eine Entscheidung: ab in die nächste Buchhandlung und die „Jahrestage“ kaufen. So schön kann ein Dokumentarfilm sein!

Trailer

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Originaltitel

Gehen und Bleiben (Deutschland 2023)

Länge

168 Minuten

Genre

Dokumentation

Regie

Volker Koepp

Drehbuch

Volker Koepp

Verleih

Salzgeber & Co. Medien GmbH

Filmwebsite

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