Führer und Verführer

11.07.2024

Der ehrgeizige Versuch ist bestechend. Wie erkläre ich den nachfolgenden Generationen, was in Deutschland zwischen 1933 und 1945 genau geschah? Wie machte sich eine ganze Nation abhängig von einem mörderischen Diktator und einem skrupellosen Demagogen? In FÜHRER UND VERFÜHRER analysiert Regisseur Joachim A. Lang, der auch das Drehbuch schrieb, das Phänomen, wie aus Adolf Hitler und Joseph Goebbels zwei Monster wurden. Dafür verzahnt er Dokumentaraufnahmen mit nachgestellten Szenen. Das ist natürlich zunächst gewöhnungsbedürftig.

Wer hat nicht schon alles Adolf Hitler im Film verkörpert? Der erste in der langen Reihe änderte den Namen in Anton Hynkel, der Schauspieler hieß Charlie Chaplin. Und wer erinnert sich nicht an Bruno Ganz in „Der Untergang“? In FÜHRER UND VERFÜHRER ist es Fritz Karl, der Hitler spielt – überraschend nüchtern und unspektakulär. Dagegen legt Robert Stadlober seine Rolle als Joseph Goebbels extrem manieriert an. Der österreichische Schauspieler hatte im Vorfeld die bizarre Sprechweise des „Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda“ genau studiert und dessen (im Deutschen) unnatürliche Betonung kultiviert. Goebbels betonte jedes Wort auf der letzten Silbe – und Stadlober tut es ihm gleich. Unter uns: „Diesen“ Goebbels 135 (!) Minuten lang ertragen zu müssen, ist wirklich eine Zumutung!

Für Joachim A. Lang ist in seinem Film der „Verführer“ eindeutig die Hauptperson. Im Mittelpunkt steht natürlich die Frage: Wie manipuliere ich ein ganzes Volk – nur mit meiner Sprache? Goebbels beim Entwerfen von Reden, Goebbels und seine Frauengeschichten (es mussten Filmschauspielerinnen sein), Goebbels mit seiner Frau Magda (Franziska Weisz) und den vielen Kindern. Und dazwischen der vermittelnde Hitler, der der Ehe von Magda und Joseph zu retten versucht.

Gelegentlich glaubt man, dass sich Regisseur Lang bei der Fülle des Materials verzettelt hat. Manche Nebenfiguren sind entbehrlich, manche Dokumentaraufnahmen allzu bekannt. Und auch die Verzahnung von Doku- und Schauspielszenen ist nicht immer schlüssig. Da ist die beliebte und sehr didaktische „Schulvorstellung“ nicht weit. Dagegen sind wir dankbar für die wohldosiert eingestreuten Interviews mit Holocaust-Überlebenden. Intensiver geht’s nicht!

Nicht alles in FÜHRER UND VERFÜHRER ist gelungen. Zu viele Fragen bleiben offen. Manches ist redundant, anderes manieriert. Doch jeder Deutsche sollte sich diesen Film anschauen!

Trailer

Im Rahmen der Berichterstattung
ab12

Originaltitel

Führer und Verführer (Deutschland 2023)

Länge

136 Minuten

Genre

Drama / Historie

Regie

Joachim A. Lang

Drehbuch

Joachim A. Lang

Darsteller

Robert Stadlober, Fritz Karl, Franziska Weisz, Dominik Maringer, Moritz Führmann, Till Firit, Christoph Franken, Michael Glantschnig, Katia Fellin, Oliver Fleischer, Martin Bermoser, Wolfram Rupperti, Emanuel Fellmer, Johannes Rhomberg, Peter Windhofer, Sebastian Thiers, Sascha Goepel, Helene Blechinger, Raphaela Möst, Damien Erminio Ballasina, Franziska Lindenthaler, Raphael Nicholas, Samuel Fischer, Ferdinand Tuppa, Tomheinz Breitenecker

Verleih

Wild Bunch Germany GmbH

Filmwebsite

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