Was geschah am 3. September 1939 in London bei der letzten psychoanalytischen Sitzung von Sigmund Freud? Das (zugegeben) sehr dialoglastige Drama FREUD – JENSEITS DES GLAUBENS von Matthew Brown rekonstruiert das fiktive Treffen zweier großer Denker – als kontroversen Diskurs über den Glauben, die Liebe und die Zukunft der Menschheit. Und das passierte – so will es uns dieser Film sagen – genau am Tag des Eintritts Großbritanniens in den Zweiten Weltkrieg.
Basierend auf dem Theaterstück „Freud’s Last Session“ von Mark St. Germain haben eben dieser Germain und Regisseur Matthew Brown das Drehbuch zu FREUD – JENSEITS DES GLAUBENS verfasst, der mit einer Traumbesetzung aufwarten kann: Den weltweit verehrten und gefürchteten Psychoanalytiker Sigmund Freud spielt kein Geringerer als der zweifache Oscar-Preisträger Sir Anthony Hopkins, seine Tochter Anna die Deutsche Liv Lisa Fries, vor allem bekannt aus „Babylon Berlin“.
Nach der Besetzung Österreichs durch Hitlers Truppen mussten der Wiener Sigmund Freud und seine Tochter Anna, selbst Psychoanalytikerin, ihre Heimat verlassen und in London Unterschlupf suchen. Anna unterstützt ihren kränkelnden Vater (er ist inzwischen 83 Jahre alt) bedingungslos und vernachlässigt dabei ihre eigenen Bedürfnisse. Am 3. September verlässt sie das Haus, um heimlich ihre Freundin Dorothy Burlingham (Jodi Balfour) zu treffen. Sie weiß, dass ihr Vater derweil einen besonderen Besucher empfangen will – doch seinen Namen kennt sie nicht. Theaterautor Mark St. Germain meint, mehr zu wissen: Es war der christliche britische Schriftsteller C. S. Lewis, der später mit „Die Chroniken von Narnia“ Weltruhm erlangen sollte.
Und so macht Freud dem Besucher Lewis (Matthew Goode) die Tür auf und geleitet ihn ins Wohnzimmer. Der Rest des Films spielt sich nun fast ausschließlich in diesem Raum ab. Es wird über Gott und die Welt geredet und heiß diskutiert – natürlich auch über den gerade eskalierenden Krieg, der sich binnen kurzem zum Zweiten Weltkrieg ausweiten wird. Nach langen Stunden verabschiedet der sichtlich ermattete Freud seinen Gast. Wenige Wochen später, am 23. September 1939, stirbt Sigmund Freud in London…
FREUD – JENSEITS DES GLAUBENS kann und will die Vorlage nie verleugnen: Hier ist alles sehr theater- und thesenhaft – und bisweilen auch recht trocken. Wer sich für die angesprochenen Themen nicht interessiert, ist im Kino fehl am Platz. In diesem wortreichen philosophischen Essayfilm braucht der Zuschauer viel Geduld. Doch eines ist sicher: Hopkins-Fans werden nicht enttäuscht.
Nur eine Bitte: Wer Filme am liebsten in der Originalfassung mit Untertiteln anschaut – was bei uns in vielen Kinos möglich ist -, sollte das in diesem Fall vermeiden. Denn in der englischen Originalfassung spricht Anna ihr Englisch mit deutschem Akzent und Sigmund seine wenigen deutschen Sätze mit englischem Akzent. Das passt nicht zusammen! Obwohl sich Sir Anthony Hopkins bei den Dreharbeiten viel Mühe gegeben hatte.
Freuds Last Session (Großbritannien / Irland / USA 2023)
110 Minuten
Drama
Matthew Brown
Mark St. Germain, Matthew Brown, nach dem Bühnenstück "Freud's Last Session von Mark St. Germain
Ben Smithard
Anthony Hopkins, Matthew Goode, Liv Lisa Fries, Jodi Balvour, Jeremy Northan, Orla Brady, Stephen Campbell Moore
X Verleih AG