Filmfest Hamburg 2016 – Teil 5

Heute mit EINFACH DAS ENDE DER WELT, THE JOURNEY TO GREENLAND und KING OF THE BELGIANS. Die Hälfte des Festivals ist vorbei und inzwischen geht es häufig nur noch darum, die Empfehlungen der Kollegen irgendwie in den Filmplan zu integrieren. Immerhin hat es heute schon mal geklappt, den gestern versäumten neuen Film von Xavier Dolan nachzuholen. Und gelacht wurde auch sehr viel… 

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Einfach das Ende der Welt

Kanada, Frankreich 2016 | 95 min | OF mit dt. UT | Farbe

Regie: Xavier Dolan, Drehbuch: Xavier Dolan, basierend auf einer Vorlage von Jean-Luc Lagarce, Darsteller: Gaspard Ulliel, Nathalie Baye, Léa Seydoux, Vincent Cassel, Marion Cotillard

Nach über zwölf Jahren kehrt Louis erstmals nach Hause zurück. Er hat eine wichtige Mitteilung zu machen. Die Ankunft des verlorenen Sohnes und Bruders versetzt die Familie in helle Aufregung. Alle reden durcheinander und hören einander nicht zu. Erinnerungen kommen hoch, alte Wunden platzen auf. Und mit jeder Stunde, die verstreicht, scheint es für Louis aussichtsloser, endlich das zu sagen, wofür er eigentlich gekommen ist.

Das „Regie-Wunderkind“ kehr mit EINFACH DAS ENDE DER WELT erneut zum Filmfest Hamburg zurück, ein Festival, dass ihm – laut einer persönlichen Botschaft, die vor dem Film gezeigt wurde – sehr am Herzen liegt. Vor zwei Jahren stellte Dolan sein Meisterwerk MOMMY noch persönlich vor, in diesem Jahr war ihm das aufgrund von Dreharbeiten nicht möglich.

In seinem neuen Film nähert sich Dolan dem klassischen Ensemble-Kino. Das er dafür inzwischen eine hochkarätige Schauspielerriege gewinnen kann, liegt sicherlich an seinen eindrucksvollen Vorgängerfilmen. EINFACH DAS ENDE DER WELT versprüht nicht diese unbändige Kraft, wie es noch bei MOMMY der Fall war, aber der Film weiß durch andere Qualitäten zu überzeugen. Die Figurenzeichnungen sind detailreich und zeigen, wie schwer es sein kann, nach so vielen Jahren in eine solche Familie zurückzukehren. Zudem fängt Dolan die innere Zerrissenheit seiner Hautfigur durch intensive Nahaufnahmen ein und lässt den Zuschauer so an seinem Schicksal teilhaben. „Home is where it hurts“ singt Camillie gleich im ersten Song. Passender könnte man diesen wunderbaren Film gar nicht beschreiben. (4,0/5)

 

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The Journey to Greenland

Frankreich 2016 | 98 min | OF mit dt. UT | Farbe

Regie: Sébastien Betbeder, Drehbuch: Sébastien Betbeder, Darsteller: Thomas Blanchard, Thomas Scimeca, François Chattot

Kullorsuaq, ein Dorf in Nordgrönland, 444 Einwohner. Die Schauspieler Thomas und Thomas reisen aus Paris in die extrem abgelegene Eiswüste, um Nathan zu besuchen, den Vater von einem der beiden Männer. Der ältere Herr lebt schon seit Jahren an diesem archaischen Ort, wo die Zeit stehengeblieben zu sein scheint und die Menschen wie ihre Vorfahren der Robbenjagd nachgehen. Für die beiden leicht verpeilten Kreativen ist die Begegnung mit der Inuit-Gemeinschaft und ihren Regeln zuerst ein Kulturschock: kein Alkohol, keine Kanalisation, rohes Fleisch. Doch nach und nach freunden sie sich mit dem Fremden an und erliegen dem Charme der Einheimischen – weit stärker, als ihnen vielleicht lieb ist.

Manchmal sollte man sich vor der Filmauswahl ein wenig besser informieren. Vor drei Jahren war Regisseur Sébastien Betbeder mit seinem letzten Film 2 HERBSTE, 3 WINTER beim Filmfest vertreten und der Film zählt nicht wirklich zu meinen Highlights. Ähnlich verhält es sich jetzt mit seinem neuen Film THE JOURNEY TO GREENLAND. Auch hier setzt Betbeder wiederholt auf ein Stilmittel, das mich wenig begeistert, ja eigentlich sogar stört: Er lässt Dialoge der Figuren ausblenden und lässt den Rest als Off-Stimme einer der beiden in der Szene spielenden Figuren weitererzählen.

Ansonsten hat er ein paar gute und nette Einfälle, aber in der Summe plätschert der Film einfach so vor sich hin. Das reicht mir in diesem Fall dann leider nicht. (2,0/5)

 

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King of the Belgians

Belgien, Niederlande, Bulgarien 2016 | 94 min | OmeU | Farbe

Regie: Peter Brosens, Jessica Woodworth, Drehbuch: Peter Brosens, Jessica Woodworth, Darsteller: Peter van den Begin, Lucie Debay, Titus de Voogdt, Bruno Georis, Pieter van der Houwen, Nina Nikolina

König Nicolas III. (Peter van den Begin) ist ein blasser und wenig charismatischer Monarch und auf einem Staatsbesuch in Istanbul, als der wallonische Teil Belgiens seine Unabhängigkeit erklärt. Der König muss sofort zurück, um sein Königreich zu retten. Doch ein Vulkanausbruch in Island legt den Luftverkehr und jegliche Kommunikation lahm. Kein Flugzeug, kein Telefon. Mithilfe eines britischen Filmemachers und einer bulgarischen Volkstanzgruppe versucht Nicolas III., mit seiner Entourage über den Landweg nach Hause zu kommen. Inkognito. Es beginnt eine Odyssee entlang der Balkanroute, auf der der König nicht nur die reale Welt entdeckt, sondern auch sich selbst.

Perfekter könnte ein Tagesabschluss auf dem Filmfest Hamburg kaum sein. Aus Belgien kommt dieser herrlich skurrile Film, der sich fast wie eine Episode aus Stromberg anfühlt. Ein König, der von einer bizarren Situation in die nächste stolpert und das auf einem Roadtrip quer durch Osteuropa – das ist durchaus extrem komisch. Die Einfälle, die die Regisseure Peter Brosens und Jessica Woodworth hier haben, sind so abgefahren, dass man als Zuschauer aus dem Lachen kaum herauskommt. (3,5/5)

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