Heute mit BLACK, THE TOGETHER PROJECT und WÚLU. Das ist das Besondere an einem Filmfest. Da hat man zwar eine Karte für den neuen Film von Xavier Dolan, aber dann ist die Zeit zum Kinowechsel einfach zu gering, weil sich das Q&A nach dem vorhergehenden Film so sehr in die Länge gezogen hat. Die Folge wäre es, einen Film mit vielen Close-Ups und Untertitel in der ersten Reihe zu gucken. Nein, das muss beim besten Willen nicht sein, zumal der Film am nächsten Tag noch einmal in der Akkreditiertenvorstellung läuft. Also kurzer Hand umgeplant und herausgekommen ist als Ersatz ein Drogen-Thriller aus Mali. Aber dazu später mehr.
Belgien 2015 | 95 min | OmeU | Farbe
Regie: Bilall Fallah, Adil El Arbi, Drehbuch: Nele Meirhaeghe, Adil El Arbi, Bilall Fallah, Hans Herbots, Darsteller: Martha Canga Antonio, Aboubakr Bensaihi
Welten prallen aufeinander, als sich das Mädchen Mavela und der Junge Marwan auf dem Flur einer Brüsseler Polizeistation kennenlernen. Sie gehören zwei verfeindeten Gangs an, Mavela der „Black Bronx“, Marwan der marokkanischen Bande „1080“. Obwohl den beiden Teenagern klar ist, welcher Gefahr sie sich aussetzen, treffen sie sich heimlich und verlieben sich ineinander. Gemeinsam wollen sie ausbrechen aus den Gangstrukturen und ihr gewalttätiges Milieu, das ihnen keine Perspektive bietet, verlassen. Doch die Clans bekommen Wind von der verbotenen Beziehung und stellen dem Paar eine heimtückische Falle.
BLACK ist ein weiterer Film, den ich beim Edinburgh International Film Festival im Juni diesen Jahres nicht mehr in meinen Zeitplan packen konnte. Um so schöner, dass sich das Filmfest Hamburg ebenfalls für diesen belgischen Film entschieden hat. Allerdings ringt der Film dem klassischen Romeo und Juli Prinzip keine wesentlichen neuen Aspekte ab. Alles bewegt sich in „geordneten“ Bahnen und das Fehlen jedweder Identifikationsfiguren macht es dem Zuschauer schwierig, hier Gefallen zu finden. Selbst die beiden Hauptfiguren sind so schwach gezeichnet, dass man ihn ihren Ausstiegswillen nicht wirklich abnimmt. Der Film hat jedoch eine ansehnliche Bildsprache gefunden, dass die Figuren-Probleme zumindest ein klein wenig vergessen lässt. Allerdings hat man den Eindruck, dass die Regisseure ihre stilistischen Mittel wie Zeitlupe etc. nicht aus dramaturgischen Gründen einsetzen, sondern „einfach nur so“. So ist BLACK in der Summe zwar kein schlechter Film, aber auch keiner, den man unbedingt gesehen haben muss. Durchschnitt eben. (2,5/5)
Frankreich, Island 2016 | 83 min | OF mit dt. UT | Farbe
Regie: Sólveig Anspach, Drehbuch: Sólveig Anspach, Jean-Luc Gaget, Darsteller: Florence Loiret Caille, Samir Guesmi
Samir, ein hochgewachsener und schlaksiger Kranfahrer um die 40, verliebt sich Hals über Kopf in Agathe. Da sie als Schwimmlehrerin arbeitet und ihm nichts Besseres einfällt, meldet er sich bei ihr für einen Schwimmkurs an. Der Schwindel funktioniert genau drei Unterrichtsstunden lang – dann fliegt Samir auf. Agathe ist außer sich. Wenn sie etwas hasst, dann sind es Lügner. Damit scheint die Romanze vorüber zu sein, noch ehe sie richtig losgegangen ist. Als Agathe zu einem Bademeister-Kongress nach Reykjavík fährt, schiebt sie ein ganzes Meer zwischen sich und ihren Verehrer. Doch der wäre nicht unsterblich verliebt, wenn Wasser und 2.000 Kilometer für ihn ein echtes Hindernis wären.
Man muss die Isländer einfach lieben. Immer ein wenig verrückt, immer sehr naturverbunden und immer zutiefst menschlich. Was passiert, wenn ein schlaksiger Franzose seiner Liebe nach Island nachreist, zeigt THE TOGETHER PROJEKT auf äußerst amüsante Weise. Samir Guesmi in der Hauptrolle ist ein wahrer Segen für den Film. Wie er sich unbeirrt der isländischen Sonderheiten in ein Abenteuer begibt, ist so urkomisch und skurril, dass man es vor Lachen kaum aushält. Das Guesmi auch im wahren Leben ein lustiger Zeitgenosse ist, konnte er bei der Präsentation des Filmes im Passage Kino eindrucksvoll zeigen. Als ein Teil der Zuschauer während des anschließenden Q&A den Saal verlassen wollte, fuhr er sie von der Bühne mit einem schelmischen „dadadadada“ an, nur um die verwirrten Gesichter daraufhin wie ein Honigkuchenpferd anzugrinsen. Was für ein wunderbarer Typ! Und was für ein wunderbarer Film! (4,0/5)
Mali, Frankreich, Senegal 2016 | 95 min | OmeU | Farbe
Regie: Daouda Coulibaly, Drehbuch: Daouda Coulibaly, Darsteller: Ibrahim Koma, Inna Modja, Habib Dembele
Der 20-jährige Ladji ist Busfahrer in der malischen Hauptstadt Bamako und arbeitet hart, um seine Schwester Aminata aus der Prostitution zu holen. Als ihm eine Beförderung verwehrt wird, wendet er sich an einen befreundeten Drogendealer, der ihm noch einen Gefallen schuldet. Unterstützt von seinen Freunden beginnt Ladji, kiloweise Kokain von Guinea nach Mali zu schmuggeln und steigt rasch zur Topgröße im regionalen Drogenhandel auf. Er kann sich nun alles leisten, Frauen und ein Leben, von dem er bisher nicht einmal zu träumen gewagt hat. Doch der Preis, den Ladji dafür zu zahlen hat, ist hoch.
Nachdem es im neuen Film von Xavier Dolan nur noch Plätze in der ersten Reihe habe, habe ich kurzer Hand umdisponiert – und es nicht bereut. WÚLU ist ein eindrucksvoller Thriller über die wenig bekannt Tatsache, dass die Drogenkartelle Südamerika das afrikanische Land Mali seit ein paar Jahren auserkoren haben, um von dort aus ihre Waren nach Europa zu verschieben. Das geschieht in erster Linie, seit die Kontrollen in Portugal und Spanien extrem verschärft worden sind, so der Regisseur Daouda Coulibaly im anschließenden Filmgespräch. Er habe den Film in erster Linie gemacht, damit später niemand in Mali behaupten kann, er hätte nicht gewusst, in welchem Ausmaß der Drogenhandel dort stattfindet. Coulibaly findet dafür starke Bilder und einen Hauptdarsteller, der so mysteriös ist, dass man aus ihm und seinen Absichten nicht wirklich schlau wird. WÚLU ist ein cleverer und eindrucksvoller Film, der noch einige Zeit nachwirkt. (3,5/5)