Keine Interviews am dritten Tag des 23. Filmfest Hamburg 2015, aber dafür gab es vier starke Filme: A GRAIN OF TRUTH, JAMES WHITE, sowie MEIN EIN, MEIN ALLES und ICH UND EARL UND DAS MÄDCHEN.
Polen 2015 | 111 min | Farbe | Sektion: Kaleidoskop
Regie: Borys Lankosz
Drehbuch: Zygmunt Miłoszewski, Borys Lankosz basierend auf dem gleichnamigen Roman von Zygmunt Miłoszewski
Darsteller: Robert Więckiewicz, Jerzy Trela, Magdalena Walach, Aleksandra Hamkało, Krzysztof Pieczyński, Andrzej Zieliński, Zohar Strauss
Nach seiner Scheidung verlässt der Top-Ermittler und Lokalsheriff Teodor Szacki Warschau, um in der malerischen Kleinstadt Sandomierz im Südosten Polens ein neues Leben zu beginnen. Schon nach kurzer Zeit wird er mit Ermittlungen in einem mysteriösen Mordfall beauftragt. Während Szacki noch mit der Provinz fremdelt und nach Hinweisen sucht, tauchen neue Opfer auf. Offenbar haben die Morde einen jüdischen Hintergrund. Prompt rollt eine Welle des Antisemitismus über die Stadt. Szacki muss sich nun auch noch mit den komplizierten polnisch-jüdischen Beziehungen auseinandersetzen.
Mit A GRAIN OF TRUTH kommt ein äußerst stylisher Thriller aus Polen. Regisseur Borys Lankosz legt hier ein Werk vor mit extrem viel schwarzem Humor, das sich vor westeuropäischen Produktionen nicht verstecken muss. (3/5)
USA 2015 | 88 min | Farbe | Sektion: Transatlantik
Regie: Josh Mond
Drehbuch: Josh Mond
Darsteller: Cynthia Nixon, Christopher Abbott, David Call, Makenzie Leigh, Scott Mescudi, Ron Livingston
James White (Christopher Abbott) ist Anfang zwanzig und lässt sich durch New York treiben. Sein Leben kreist um Partys, Drogen, Alkohol und zufällige Sexbekanntschaften. Nach Phasen der Exzesse liegt er oft tagelang völlig ausgeknockt auf der Couch seiner Mutter und versucht, wieder halbwegs auf die Beine zu kommen. James’ Mutter erholt sich gerade von einer Krebserkrankung und scheint auf dem Weg der Besserung zu sein. Doch dann erleidet sie einen schweren Rückfall. Der Druck auf James steigt: Entweder er reißt sich endlich zusammen und beginnt, Verantwortung zu übernehmen – oder er macht so weiter und riskiert, endgültig abzustürzen.
Endliche einmal ein Film, der mich vollends aus den Socken haut. JAMES WHITE ist ein äußerst kraftvolles Portrait eine Mannes, der nicht so recht weiß, wo er hingehört und der Probleme lieber verdrängt, als sich ihnen stellt. Regisseur Josh Mond, den ich auch noch zum Interview über diesen Film getroffen habe, legt hier wahrlich keine leichte Kost vor. Aber vor allem mit seinem intensiven Hauptdarsteller Christopher Abbott, den die Kamera keine Sekunde aus den Augen lässt, fesselt er den Zuschauer immer und immer wieder. (4/5)
Frankreich 2015 | 128 min | Farbe | Sektion: Voilà!
Regie: Maïwenn Le Besco
Drehbuch: Maïwenn, Etienne Comar
Darsteller: Vincent Cassel, Emmanuelle Bercot, Louis Garrel, Isild Le Besco, Chrystele Saint-Louis Augustin, Patrick Raynal, Paul Hamy, Yann Goven
Tony (Emmanuelle Bercot) liegt nach einem Skiunfall in einer Rehaklinik. Abhängig von Schmerzmitteln denkt sie über ihre turbulente Beziehung mit Georgio (Vincent Cassel) nach. Die rationale Anwältin und der reiche Partylöwe – konnte das gut gehen? Warum liebte sie diesen Mann so leidenschaftlich, und warum unterwarf sie sich dieser zerstörerischen Liebe so ganz und gar? In Rückblenden lässt Tony die Jahre mit Giorgio, die so vielversprechend begannen und im Desaster endeten, Revue passieren. Sie hat einen schwierigen Heilungsprozess vor sich.
Es geht direkt weiter mit dem nächsten Highlight. Regisseurin Maïwenn zeigt mit MEIN EIN, MEIN ALLES das eindrucksvolle Portrait einer Frau, die glaubt, im Schatten eines Mannes zu stehen. Wenn am Ende dann der endgültige Befreiungsschlag fällt, dann hebt dieser diesen Film auf einen unfassbar hohen Thron. Mehr als sehenswert und ab dem 31.03.2016 auch in den deutschen Kinos zu sehen (4/5)
USA 2014 | 105 min | Farbe | Sektion: Transatlantik
Regie: Alfonso Gomez-Rejon
Drehbuch: Jesse Andrews
Darsteller: Thomas Mann, RJ Cyler, Olivia Cooke, Nick Offerman, Connie Britton, Molly Shannon
In seinem letzten Schuljahr im Gymnasium versucht Greg (Thomas Mann), sich anonym zu integrieren. Er vermeidet tiefere Beziehungen – seine Überlebensstrategie im sozialen Minenfeld des Teenagerlebens. Sogar seinen Kumpel Earl (RJ Cyler), mit dem er kurze Filmklassiker-Parodien dreht, nennt er nicht einen Freund, sondern „Mitarbeiter“. Erst als Gregs Mutter (Connie Britton) ihn animiert, mehr Zeit mit Rachel (Olivia Cooke) zu verbringen, einer Klassenkollegin mit Krebsdiagnose, begreift Greg langsam, wie wertvoll richtige Freundschaften sein können. Die wunderbar witzige und herzbewegende Teenagergeschichte gewann beim diesjährigen Sundance Festival sowohl den Jury- als auch den Publikums-Preis.
Endlich! Endlich gibt es mal wieder einen „Teenie-Film“, der sich wohlwollend von den üblichen Vertretern des Genres abhebt. Die ausführliche Kritik gibt es hier. (4/5)