Der zweite Tag des 23. Filmfest Hamburg 2015 beginnt mit einem Interview mit Fernanso León de Aranoa, sowie den vier Filmen MADAME COURAGE, HARRY ME – THE ROYAL BITCH OF BUCKINGHAM, MAY ALLAH BLESS FRANCE und WAR BOOK.
Gleich zu Beginn des zweiten Tages habe ich die Ehre, mit dem spanischen Regisseur Fernando León de Aranoa über seinen mehr als gelungenen Film A PERFECT DAY zu sprechen. Das komplette Interview gibt es hier zum Nachlesen.
Im Anschluss gab es noch ganze vier Filme zu sehen:
Algerien, Frankreich 2015 | 89 min | Farbe | Sektion: Kaleidoskop
Regie: Merzak Allouache
Drehbuch: Merzak Allouache
Darsteller: Adlane Djemil, Lamia Bezouaoui, Leïla Tilmantine, Abdellatif Benahmed, Mohamed Takerret
Omar ist ein haltloser und einsamer Teenager und lebt am Rand der algerischen Hafenstadt Mostaganem. Er ist von der Psychodroge Artane abhängig, die unter jungen Algeriern „Madame Courage“ heißt und sehr beliebt ist, weil sie ihnen die Illusion von Unbesiegbarkeit gibt. Um an Geld zu kommen, überfällt Omar junge Frauen und raubt ihnen Taschen und Schmuck. Bei einem seiner Überfälle lernt er Selma kennen und verliebt sich in sie. Er will sich mit ihr treffen, doch Selmas Bruder verbietet ihr den Umgang mit einem Kriminellen und Junkie. Omar aber lässt nicht locker – und wartet.
Kaum etwas nervt mich an einem Film mehr, als eine ständige Wackelkamera. Natürlich möchte ein Filmemacher damit eine gewisse Nähe zu seinem Protagonisten verdeutlichen und einem Film einen gewissen realen Bezug geben, aber auf Dauer macht mich so etwas nun mal wahnsinnig. Bei diesem Film kommt zudem noch erschwerend hinzu, dass man die Geschichte bereits unfassbar oft auf der Leinwand gesehen hat. Figuren, denen man überhaupt keine Sympathie entgegen bringen kann, schließen dann den Kreis. Das war leider nichts (1,5/5)
Frankreich 2015 | 82 min | Farbe | Sektion: Eurovisuell
Regie: Eloïse Lang, Noémie Saglio
Darsteller: Camille Cottin, Marie-Christine Adam, Stéphane Bern, Antony Hickling, Kad Merad
Please Harry, Marry Me! Für Camille ist das nicht nur ein frommer Wunsch, sondern purer Ernst. Die hemmungslose und keineswegs auf den Mund gefallene Pariserin möchte um jeden Preis raus aus der Mittelschicht. Und wie könnte dieses Problem besser gelöst werden als mit einem wohlhabenden Gatten, der ihr ein Leben der Reichen und Schönen ermöglicht? So ein Mann muss her, und für Camille kommt nur einer in Frage: Prinz Harry aus England. Mit High Heels und den Waffen einer Frau packt Camille in Paris ihre Koffer und reist nach London, um den Prinzen zu erobern.
Endlich geht es bergauf. Zumindest in Bezug auf die Qualität der von mir ausgesuchten Filme. HARRY ME ist eine schräge Mockumentary – also eine gestellte Dokumentation in Form einer Komödie – bei der einem so manches Mal das Lachen im Halse stecken bleibt. Exzellent gespielt durch die französische Komödiantin Camille Cottin bietet der Film einen Heidenspaß. (3,5/5)
Frankreich 2014 | 96 min | S/W | Sektion: Veto!, Voilà!
Regie: Abd Al Malik
Drehbuch: Abd Al Malik
Darsteller: Marc Zinga, Sabrina Ouazani, Larouci Didi, Mickael Nagenraft, Matteo Falkone, Stéphane Fayette-Mikano
Régis wächst in einer Sozialsiedlung in einem Vorort von Straßburg auf und führt ein Doppelleben: Während er tagsüber in der Schule glänzt, verkauft er nachts Drogen. An den Wochenenden tritt er mit seiner Band auf, den New African Poets. Der Teenager träumt vom Erfolg mit ehrlicher Arbeit, doch er kommt vom Dealergeld nicht los, er braucht es für seine musikalischen Ambitionen. Als einige seiner Freunde durch Gewalt und Drogen umkommen, zieht Régis einen radikalen Schlussstrich unter sein bisheriges Leben. Er konvertiert zum Islam, nennt sich Abd Al Malik – und findet seine eigene künstlerische Identität in Rap und Slam Poetry.
Ein französisches Rapper-Biopic, gedreht in Schwarz-Weiß. Das ist in erster Linie kraftvoll, vor allem aber extrem stark gespielt. Vielleicht muss man sich aber in dieser Welt zumindest ein wenig zurecht finden, um dem Film vollends zu verfallen. (3/5)
Großbritannien 2014 | 95 min | Farbe | Sektion: Veto!
Regie: Tom Harper
Drehbuch: Jack Thorne
Darsteller: Adeel Akhtar, Nicholas Burns, Ben Chaplin, Shaun Evans, Kerry Fox, Phoebe Fox, Sophie Okonedo
Neun Regierungsangestellte verbringen drei Tage in einem Behördenbüro in London. Sie proben den Ernstfall: Welche Maßnahmen muss Großbritannien bei einem möglichen Nuklearangriff von Pakistan auf Indien ergreifen? Jeder Teilnehmer vertritt eine Regierungsbehörde, einer den Premierminister. Der Testlauf beginnt zunächst zwanglos. Doch als das fiktive Szenario eskaliert und der Krisenstab sich mit dem Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung beschäftigt, nehmen die Spannungen zu. Persönliche und professionelle Ressentiments brechen durch. Die losgetretenen Dynamiken lassen die Folgen erahnen, wenn aus der Krisenübung plötzlich ein tatsächlicher Ernstfall würde.
Endlich. Das erste, wirkliche Highlight. Obwohl ich eigentlich einen ganz anderen Film schauen wollte, ergab sich dieser hier per Zufall. Regisseur Tom Harper erzählt von einer Kriegssimulation, die ausschließlich in einem Konferenzraum spielt. Trotzdem, oder gerade deshalb ist WAR BOOK ein dichter und äußerst reffiniert erzählter Thriller, der packt, schockiert und einen interessanten Einblick in die Gedankenwelt von Kriegsplanern wirft. (4/5)