Fabian oder der Gang vor die Hunde

05.08.2021

Das Projekt war extrem ehrgeizig – doch Regisseur Dominik Graf hat alle Probleme umschifft. Nichts weniger als sein Opus Magnum wollte Graf mit seinem fast dreistündigen Film „Fabian oder der Gang vor die Hunde“ präsentieren, eine Umsetzung des gleichnamigen Romans von Erich Kästner. Kein Kinderbuch, sondern ein Werk für Erwachsene. Beim Erscheinen Anfang der 30er-Jahre kam der Roman „Fabian. Die Geschichte eines Moralisten“ nicht ohne Auflagen durch die Zensur – erst seit 2013 ist die ungekürzte Fassung unter dem neuen Titel „Der Gang vor die Hunde“ für deutsche Leser verfügbar. Der fertige Film wirkt wie ein tiefsinniger und visuell atemberaubender Kommentar zur Sky/ARD-Serie „Babylon Berlin“ von Tom Tykwer, Achim von Borries und Hendrik Handloegten frei nach den Romanen von Volker Kutscher.

Berlin 1931: Der ehemalige Germanist Jakob Fabian (Tom Schilling) arbeitet tagsüber in der Werbeabteilung eines Zigarettenfabrik und driftet nachts mit seinem wohlhabenden (kommunistischen) Freund Labude (Albrecht Schuch) durch Unterweltkneipen, Bordelle und Künstlerateliers. Das absehbare Ende der Weimarer Republik und das allmähliche Aufkommen des Naziterrors entlocken dem spöttischen Fabian nur zynische Kommentare. Sein Hass, sein Lebensekel und seine offen zur Schau getragene Gleichgültigkeit finden keine Grenzen – bis er die selbstbewusste Rechtsreferendarin Cornelia Battenberg (Saskia Rosendahl) kennenlernt. Aus einer flüchtigen Affäre wird bald mehr, sogar Fabian ist überrascht: Menschliche Gefühle sind ihm sonst eher fremd.

Fabian wird entlassen, was er Cornelia verheimlicht. Diese lässt sich vom Filmproduzenten Makart (Aljoscha Stadelmann) verführen, der ihr eine Filmkarriere verspricht. Labude wird von seiner Verlobten betrogen, und seine Habilitation wird angeblich abgelehnt – durch die fiese Intrige eines Kommilitonen. Er bringt sich um, und Fabian trennt sich von Cornelia: Er kann und will als Moralist ihr Doppelleben nicht akzeptieren. Er kehrt zu seinen Eltern nach Dresden zurück. Das Ende ist kurz und schmerzlos: Bei dem Versuch, einen ins Wasser gefallenen Jungen zu retten, ertrinkt Fabian.

Das ist kein Spoiler! Diese Geschichte benutzen Kästner und Graf nur als Schablone, um den damaligen Zeitgeist zu demonstrieren. Nichts weniger als das Ende einer Epoche zu zeigen, schwebten dem Autor und dem Regisseur vor – Kästners Roman gilt immer noch als einer bedeutendsten der 30er-Jahre in deutscher Sprache. Und Graf nutzt alle seine technische und inszenatorische Meisterschaft, um dieses Buch kongenial umzusetzen. Virtuos verwendet er alle visuellen Möglichkeiten, die das Medium ihm bietet: opulente Farbfilmkompositionen im ungewöhnliche 4:3-Format, eingestreute Wochenschauaufnahmen mit bewusst körnigem Material, nachgedrehte Schein-Dokumentarszenen – ein Kompendium der Filmgeschichte. Und er hat drei brillante Schauspieler an seiner Seite: Saskia Rosendahl, Tom Schilling und Albrecht Schuch waren noch nie so gut wie hier. Eine der besten Literaturverfilmungen der vergangenen 20 Jahre! Doch warum muss der Film 176 Minuten lang sein?

Trailer

ab12

Originaltitel

Fabian oder der Gang vor die Hunde (Deutschland 2021)

Länge

176 Minuten

Genre

Drama

Regie

Dominik Graf

Drehbuch

Constantin Lieb, Dominik Graf

Darsteller

Tom Schilling, Albrecht Schuch, Saskia Rosendahl, Michael Wittenborn, Petra Kalkutschke, Elmar Gutmann, Aljoscha Stadelmann, Anne Bennent, Meret Becker

Verleih

DCM Film Distribution GmbH

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