Kuba, die DDR und die verpasste Zukunft des Sozialismus – große Themen eines Spielfilmdebüts, das einfach zu viel wollte. Mit ERNESTO’S ISLAND erzählt Ronald Vietz die Geschichte des Endes der DDR und die schwierige politische Lage in Kuba, einem der letzten sozialistischen Staaten der Welt.
Wer glaubt, mit „Ernesto“ ist Fidel Castros Freund Ernesto „Che“ Guevara gemeint, liegt jedoch falsch. Bei seinem Besuch in Ost-Berlin im Juni 1972 überreichte der kubanische „Máximo Lider“ und Staatspräsident Fidel Castro dem Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker eine Landkarte, auf der eine unbewohnte, 15 Kilometer lange und 500 Meter breite Insel im Süden als „Ernst-Thälmann-Insel“ (spanisch: „Cayo Ernest Thaelmann“) und einer der Strände als „Playa RDA“ („DDR-Strand“) verzeichnet waren. An diesem Strand ließ Honecker eine drei Meter hohe Thälmann-Büste errichten – zur Erinnerung an den langjährigen Vorsitzenden (1925-1933) der KPD.
So viel zum politischen Hintergrund, denn der Film erzählt eigentlich eine sehr private Geschichte. Matthias (Max Riemelt) lebt in einem teuren Apartment im Osten Berlins, arbeitet in einer erfolgreichen Werbeagentur und genießt sein luxuriöses Singledasein. Doch wenn er ehrlich ist, steckt er mitten in einer ernsten Lebenskrise. Als sein Jugendfreund Sascha (Oliver Bröcker) ihn spontan besucht, blockt er erst einmal ab. Matthias’ Mutter ist vor kurzem gestorben. Ihr letzter Wunsch: Ihr Sohn soll ihre Asche auf „Ernesto’s Island“ verstreuen – die überzeugte Kommunistin hatte auf Kuba ihre schönste Zeit verbracht.
Diese letzten Jahre der DDR und die Reise nach Kuba zeigt uns der Regisseur mit eingestreuten Super-8-Aufnahmen von Matthias und Sascha als Kinder und ihren sozialistischen Müttern. Geschickt gibt uns Ronald Vietz das Gefühl, dass Matthias dieser Zeit immer noch nachtrauert. Als er versucht, die Asche seiner Mutter schon in Berlin zu entsorgen, landet die noch geschlossene Urne in der Spree und wird am nächsten Tag persönlich von der Polizei an seiner Haustür wieder abgeliefert. Bei Wiederholung drohe eine Strafanzeige.
Also fliegt Matthias kurzentschlossen nach Havanna – denn Geld hat er genug. Hier begeht der Regisseur den Fehler, ein Klischee an das andere zu reihen. Das arme Kuba lebt bekanntlich von den Devisen der Touristen, was Vietz genüsslich – und für meine Begriffe – allzu aufdringlich aufzeigt. Matthias wird ständig von Taxifahrern und Zuhältern angebaggert, die nur an sein Geld wollen. Als er sich in einer Bar bis zum Abwinken betrinkt, die Kellnerin belästigt und vom Barman rausgeworfen wird, erbarmt sich diese Kellnerin Sofia (Mariam Durandona) seiner und nimmt ihn mit nach Hause. Am nächsten Morgen erklärt sie sich sogar bereit, gegen Geld ihn auf dem Drei-Tage-Trip zur Insel zu begleiten, sie werde auch das Auto besorgen.
Diese Road-Movie-Sequenz ist der Höhepunkt des Films. Zu Anfang wie Hund und Katze, kommen sich Sofia und Matthias langsam näher. Aber immer wieder verstricken sie sich in sinnlose politische Diskussionen. Er glaubt noch an die Vorzüge des Sozialismus, sie zeigt ihm schonungslos die Missstände in ihrem Land auf. Bei einem Abstecher besucht er seine Halbgeschwister, die er als Kind kennengelernt hatte. Sein 2001 gestorbener Vater war nämlich Kubaner. Nach der Party, den seine Geschwister für ihn geben, gibt es für Sofia und Matthias endlich den erhofften Sex. Doch beim nächsten politischen Streit verlässt sie ihn wutentbrannt. Das war’s dann mit der neuen Liebe…
Als am Ende des mit 114 Minuten eindeutig zu langen Films auch noch Sascha auftaucht, und Matthias endlich auf der kleinen Insel ankommt, um den Wunsch seiner Mutter zu erfüllen, zerfasert der Film zusehends. Wie (fast) jeder Debütant wollte Ronald Vietz hier einfach zu viel. Manche Szenen schleppen sich endlos dahin, da verliert ERNESTO’S ISLAND leider seine angestrebte Intensität. Und Max Riemelt guckt ständig nur griesgrämig – ihn haben wir schon in besseren Rollen gesehen. Ein eher zähes Debüt!
Ernesto's Island (Deutschland 2022)
114 Minuten
Drama
Ronald Vietz
Ira Wedel / Ronald Vietz
Max Riemelt, Marion Duranona, Oliver Bröcker
barnsteiner-film