Es passiert immer wieder, dass auf den ersten Blick „kleine“ Filme „großes“ Kino präsentieren. Das ist das Schöne an diesem wunderbaren Medium. Mit ELAHA legte die 1992 in Armenien geborene jesidische Kurdin Milena Aboyan an der Filmakademie Baden-Württemberg ihren Abschlussfilm vor. ELAHA feierte seine Premiere auf der Berlinale und erhielt Preise bei den Filmfestivals in Locarno und Emden-Norderney. Besser geht’s nicht!
Die 22-jährige Deutsch-Kurdin Elaha (Bayan Layla) arbeitet in einer Wäscherei und ist mit dem Sohn ihrer Chefin verlobt. Nebenbei kümmert sie sich liebevoll um ihren behinderten Bruder. Bei einem Mädchenabend mit ihren Freundinnen machen diese ihr unmissverständlich klar: Es muss etwas passieren. Alle wissen, dass Elaha schon einmal Sex hatte – doch ihr Bräutigam erwartet in der Hochzeitsnacht eine jungfräuliche Braut. Wie will sie aus dieser Nummer wieder herauskommen? Ihre Freundinnen empfehlen ihr Kunstblut, um das Dilemma zu kaschieren – doch wird das funktionieren? Ihre Ärztin bietet ihr an, ein künstliches Jungfernhäutchen aus eigenen Hautpartikeln einzusetzen. Doch die Operation ist teuer, und Elaha fehlt das Geld.
Sie ist gefangen zwischen Religion, Traditionsbewusstsein, Patriarchat und Selbstbestimmung. Wie kann sich eine junge selbstbewusste Frau gegen ihr konservatives kurdisches Umfeld behaupten? Längst fühlt sie sich als unabhängige Deutsche, die ihr Leben ohne Kompromisse gestalten will. Unglaublich präzise analysieren Regisseurin Milena Aboyan und ihr Drehbuch-Co-Autor Constantin Hatz den Zwiespalt ihrer tapferen Heldin. Als eine liberale Frauen-Beratungsstelle ihr anbietet, ihr die notwendige Operation zu bezahlen, tut sich eine Chance auf. Wie wird sich Elaha entscheiden? Immerhin könnte sich ihre Familie, wenn alles schief laufen sollte, aus religiösen Gründen von ihr lossagen. Und das alles wegen eines Stückchens Haut!
Regisseurin Milena Aboyan gelingt mit ELAHA traumhaft sicher eine psychologische Achterbahnfahrt der Gefühle. Eine albtraumhafte Reise zwischen Tradition und Moderne – und das im heutigen Deutschland. Der Film ist stolze 115 Minuten lang. Doch ich möchte keine Sekunde missen. Und die Hauptdarstellerin Bayan Layla ist eine Offenbarung. Bravo!
Elaha (Deutschland 2023)
115 Minuten
Drama
MilenaAboyan
MilenaAboyan, Constantin Hatz
Bayan Layla, Derya Durmaz, Nazmi Kirik, Armin Wahedi, Derya Dilber, Cansu Leyan, Beritan Balci, Slavko Popadic, Hadnet Tesfai, Homa Faghiri, Réber Ibrahim,
Camino Filmverleih GmbH