Nach zwei Tagen beim Edinburgh International Film Festival steht schon mal eines fest: Schottische Multiplexe unterscheiden sich gewaltig. Während es im Odeon einen Sitzabstand von einem knappen gefühlten Meter gibt, sind die Abständen im Cineworld deutlich größer bemessen. Hier kann man zumindest halbwegs seine Beine ausstrecken, was bei vier Filmen am Stück nicht zu unterschätzen ist.
Frankreich 2014, 95 Minuten, Regie: Lucie Borleteau, mit Ariane Labed, Melvil Poupaud, Anders Danielsen Lie, Pascal Tagnati, Corneliu Dragomirescu
Alice heuert als Mechanikerin auf dem Frachter „Fidelio“ an. Nicht um die Welt zu sehen, sondern eher um sich selbst zu finden. So begibt sie sich auf eine Reise, sowohl physisch, aber auch sexuell und emotional. Als sie den Frachter als Ersatzmitglied in letzter Sekunde betritt, da kurz zuvor ein Crewmitglied bei einem Unfall getötet wurde, erfährt sie, dass der Kapitän ihr ehemaliger Liebhaber ist. Auf dem Film Festival von Locarno wurde Ariane Labed für ihre Darstellung der Alice als beste Schauspielerin ausgezeichnet. Der Film ist – gelinde gesagt – „anders“ als das, was man bisher aus Frankreich gewohnt ist. Deshalb läuft der Film vermutlich hier auch in der Sparte „Neue Perspektiven“. Zum einen plätschert der Film einfach nur vor sich hin, zum anderen aber ist er stellenweise auch wieder durchaus sehenswert. In der Summe bleibt dann aber doch nur ein durchschnittlicher Film zurück. (2,5/5)
USA 2014, 93 Minuten, Regie: Amy Berg, mit Elizabeth Banks, Diane Lane, Dakota Fanning, Danielle Macdonald
Elizabeth Banks spielt eine Ermittlerin, die in einem Fall von Kindesentführung ermittelt. Dabei muss sie unweigerlich einen ihrer eigenen Fälle, der bereits 10 Jahre zurückliegt, wieder öffnen. Damals wurde zwei 10-jährige Mädchen verurteilt, ein kleines Kind entführt und getötet zu haben. EVERY SECRET THING ist ein klassischer Kriminalfall, allerdings ist hier nicht so, wie es scheint. Geschickt führt Regisseurin Amy Berg, die hier ihr fiktionales Regiedebüt gibt, den Zuschauer an der Nase herum, lockt ihn auf falsche Fährten und schlussendlich die ganze Geschichte auf den Kopf zu stellen. Sicherlich erfindet der Film das Genre nicht neu, arbeitet aber wunderbar mit den unterschiedlichen Versatzstücken. Zum eindrucksvollen Cast gehören neben Elizabeth Banks auch noch Diane Lane, Dakota Fanning und Nate Parker. (3,5/5)
USA 2014, 84 Minuten, Regie: Jon Watts, mit Kevin Bacon, Shea Whigham, Camryn Manheim, James Freedson-Jackson, Hays Welford
Was anfängt wie ein jugendlicher Spaß – zwei Jungen, gerade von zu Hause weggelaufen, finden ein verlassenen Streifenwagen und gehen mit ihm auf Spritztour – wird im weiteren Verlauf dunkler und gefährlicher. Kevin Bacon ist endlich mal wieder in Höchstform und spielt den diabolischen Sheriff, der einiges zu verbergen hat. Die beiden Jungs (James Freedson-Jackson und Hays Wellford) sind zudem äußerst beeindruckend. Wenn sie über den Highway rasen oder mit den Waffen spielen, bleibt man als Zuschauer kaum ruhig sitzen. COP CAR fällt definitiv in den Bereich der B-Movies, dort zählt er aber in jedem Fall zu den besseren Vertretern. Eine wunderbar kurzweilige Unterhaltung mit fantastischen Darstellern. (3,5/5)
Italien / Großbritannien 2014, 84 Minuten, Regie: Lorenzo Sportiello, mit Simon Merreils, Ana Ularu, Antonia Liskova, Velislav Pavlov
Der letzte Film des Tages stellt zugleich auch das Highlight des Tages dar. In den futuristischen Vereinigten Staaten von Europa, die einer Festung gleichen, wird der Wert eines jeden Menschen in einem sogenannten Nachhaltigkeitsindex festgelegt. Kurt (Simon Merells) und Eve (Ana Ularu) werden beim Versuch, die USE illegal zu betreten, festgenommen. Während Kurt als potentiell nachhaltig eingestuft wird, gilt sie Eve aufgrund ihrer Schwangerschaft als nicht aufnahmewürdig, schließlich sind natürliche Schwangerschaften schon seit vielen Jahren illegal. Nachdem beide getrennt werden, versucht Kurt verzweifelt und mit allen Mitteln, wieder zu Eve zu gelangen. Der Regisseur Lorenzo Sportiello legt mit INDEX ZERO einen beeindruckenden Film vor, der die aktuelle Flüchtlingsproblematik in einer utopischen Darstellung zuspitzt. Wie viel ist ein Menschenleben wert? Wie viel dieser Utopie könnte Wirklichkeit werden, wenn wir das Problem nicht in den Griff bekommen? Fragen über Fragen, die ich dem Regisseur, der sich im Übrigen auch für das Drehbuch, den Sound und die Special Effect verantwortlich zeigt, am Wochenende stellen werde. Dann treffe ich nämlich ihn und den Hauptdarsteller Simon Merells zum Interview. (4/5)