Generationsübergreifende Melodramen sind seit Jahrzehnten ein Herzstück des italienischen Kinos. Die ungewöhnliche Verzahnung von enger Familienbande, schmerzlicher Tragik und südländischer Fatalität ist typisch für diese Nation. So überrascht es nicht, dass der italienische Starregisseur Nanni Moretti mit DREI ETAGEN zum ersten Mal nicht ein eigenes Drehbuch, sondern den Roman „Über uns“ des israelischen Autors Eshkol Nevo verfilmt hat. Denn dieses Buch passt wunderbar zur römischen Mentalität – und das hat Moretti sofort erkannt. DREI ETAGEN erzählt über einen Zeitraum von zehn Jahren das schicksalhafte Leben von drei Familien in einer ruhigen Seitenstraße im bürgerlichen Rom.
Der nächtliche Auftakt könnte nicht spektakulärer sein: Die hochschwangere Monica (Alba Rohrwacher) versucht verzweifelt ein Taxi auf dem Weg zum Krankenhaus anzuhalten, während ein Auto mit überhöhter Geschwindigkeit an ihr vorbei brettert und vor ihren Augen eine Frau auf dem Zebrastreifen umnietet. Die Passantin ist tot, der alkoholisierte Fahrer verhaftet, und Monica bringt in der Klinik ein Kind zur Welt. Tragik und Glück auf engstem Raum! Das kann Moretti!
Der Fahrer ist der Sohn des Richter-Ehepaars Dora (Margherita Buy) und Vittorio (Nanni Moretti), der sich sofort von seinem Filius lossagt, was seine Frau nicht akzeptieren will. In der dritten Wohnung des Hauses lebt Lucio (Riccardo Scamarcio), liebevoller Vater einer Tochter. Da er und seine Frau berufstätig sind, übergibt er sie tagsüber einem älteren Nachbarn, dessen Demenz noch niemand so richtig wahrgenommen hat. Als eines Nachts der alte Mann und das Mädchen spurlos verschwunden sind, kommt Lucio der Verdacht, der Mann hätte seine Tochter missbraucht. Da die Polizei keine Schritte unternimmt, rafft er sich zu einer Verzweiflungstat auf.
Diese dramatischen Entwicklungen zeigt Moretti in drei Schritten: Die eigentliche Handlung ist auf wenige Tage komprimiert, dann folgt zweimal ein Zeitsprung von fünf Jahren. Stilistisch arbeitet der Regisseur mit Mitteln des Magischen Realismus: Plötzlich taucht in Monicas Wohnung ein Rabe auf (Poe!) – oder ist es der verschollene Bruder ihres in einer anderen Stadt arbeitenden Mannes? Lucio verführt die Enkelin des Demenz-Kranken und landet vor Gericht. Dora knüpft nach Vittorios Tod wieder Kontakt zu ihrem verstoßenen Sohn und zieht aufs Land. Das ist doch alles extrem symbolüberladen und überzeugt mich leider nicht. Schuld und Sühne ist ein großes Thema – doch hier hat Moretti den Bogen überspannt. Gerade noch solide!
Tres Piani (Italien 2021)
119 Minuten
Drama / Tragikomödie
Nanni Moretti
Nanni Moretti, Federica Pontremoli, Valia Santelli - nach dem Roman "Über uns" von Eshkol Nevo
Nanni Moretti, Margherita Buy, Riccardo Scamarcio, Alba Rohrwacher
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