Nach den ersten zehn Plätzen geht es heute weiter mit meiner persönlichen Bestenliste. Es handelt sich dabei, wie bereits eingangs erwähnt, ausschließlich um Filme, die in 2015 einen Kinostart in Deutschland hatten. Außerdem stellt die Liste natürlich meine eigene, subjektive Wahrnehmung der Filme dar.
Das Zimmermädchen Lynn
Ein Zimmermädchen, dass sich nacht heimlich unter die Betten der Hotelgäste legt und ihnen lauscht. Klingt skurril? Ist es auch. Die Hauptfigur Lynn ist ein Mensch mit vielen Problemen, Neurosen und Zwängen. Es gelingt der Schauspielerin Vicky Krieps (Bevor der Winter kommt) durch ihre subtile Spielweise, die Figur dem Zuschauer gleichzeitig nahezubringen, im selben Moment jedoch trotzdem mysteriös erscheinen zu lassen. In der Summe ist DAS ZIMMERMÄDCHEN LYNN ein eher ruhiger, zurückhaltender Film, dem man sich als Zuschauer öffnen muss. Wenn einige Dialoge noch ein wenig besser ausgestaltet wären, dann würde man durchaus von einer kleinen Filmperle sprechen können. So bleibt am Ende zumindest ein interessanter Film übrig, wie man ihn nicht allzu häufig in den Kinos zu sehen bekommt.
Margos Spuren
Mit MARGOS SPUREN kommt nach DAS SCHICKSAL IST EIN MIESER VERRÄTER bereits die zweite Verfilmung eines Romans von John Green in die Kinos. Auch hier war der Autor stark in die Umsetzung seines Stoffes einbezogen, was bereits beim ersten Film merklich zu spüren war. Die Geschichte ist äußerst interessant und lässt erkennen, warum Greens Roman so erfolgreich war. Dreh- und Angelpunkt in diesem Film ist Cara Delevigne, die hier durchaus eine gute Performance hinlegt. Leider fehlen ihr ein wenig die schauspielerischen Mittel, um die Komplexität einer Figur wie Margo zu vermitteln. Das wird jedoch nur zum Ende des Filmes hin deutlich und stört dann auch wiederum nur marginal, denn die mysteriöse Aura, die Margo umgibt, verkörpert sie glaubhaft. Und wenn man die bisherige schauspielerische Laufbahn Delevignes betrachtet, von ANNA KARENINA über DIE AUGEN DES ENGELS bis zu diesem Film, dann wird schnell klar, dass es nur eine Frage der Zeit sein wird, bis sie auch komplexe Charaktere darstellen kann.
Baymax – Riesiges Robowabohu
Schon immer haben sich die Animationsfilme von Disney mit dem Thema Verlust beschäftigt, man denke nur an BAMBI. Auch in BAYMAX – RIESIGES ROBUWABOHU steht dieses Motiv im Raum, doch wie so oft gelingt es den Animatoren, es nicht zum beherrschenden Tenor zu machen. Stattdessen wird behutsam auch den Kleinsten unter uns gezeigt, wie man einem solchen Dilemma entkommt. BAYMAX reiht sich mühelos in all die Animationsfilme ein, die Disney bislang in die Kinos gebracht hat. Eine liebenswerte Geschichte, gepaart mit einem nicht allzu aufdringlichen Zeigefinger. Für die notwendigen Lacher sorgt eine leicht tollpatschige Figur mit hohem Herzerwärmungsfaktor.
Leviathan
Nicht umsonst war LEVIATHAN als bester ausländischer Beitrag für den Oscar nominiert und wenn gleich zu Beginn eingeblendet wird, dass der Film vom Kultusministerium gefördert wurde, mag man vielleicht eine Lobeshymne auf Russland erwarten. Doch weit gefehlt: Regisseur Andrey Zvyagintsev rechnet knallhart mit den Oberen des Landes ab und zeigt uns das Russland, das vom einstigen Bild einer stolzen Nation übrig geblieben ist: Korruption, Gier und Machtmissbrauch. LEVIATHAN ist einer meisterliche Parabel über den Abgesang der Moral einer Nation die mit eindrucksvollen Bildern zeigt, wie ein kleiner, rechtsschaffender Mann es mit den Großen der Politik aufnimmt. Dass es in diesem einsamen Kampf nur Verlierer gibt, macht der Film auf eindrucksvolle Art und Weise deutlich. Ein echtes Statement.
Still Alice – Mein Leben ohne Gestern
In der Rolle der an Alzheimer erkrankten Mutter verzichtet Julianne Moore bewusst auf falsche Sentimentalitäten und macht das Schicksal ihrer Rolle so für den Zuschauer greifbar. Nicht umsonst wurde sie dafür sowohl mit dem Golden Globe, als auch mit dem Oscar ausgezeichnet – Schließlich beweist sie mit ihrer Performance, dass sie in der Lage ist, nahezu jede Rolle glaubwürdig zu verkörpern. Auch Kristen Stewart zeigt hier als etwas orientierungslose Tochter nach DIE WOLKEN VON SILS MARIA erneut, dass sie sich inzwischen weit von der emotionslosen Darstellerin aus der Twilight-Saga entfernt hat. Langsam aber sicher erkennt man das Potential ihrer Fähigkeiten und freut sich gebannt auf alles, was da noch kommen mag. STILL ALLICE ist ein einfühlsamer und authentischer Film zum Thema Alzheimer, der gerade wegen seiner Darsteller zu überzeugen weiss.
Verstehen Sie die Béliers?
Immer wieder kommen von unseren französischen Nachbarn Filme in unsere Kinos, die eigentlich nur eine kleine, bescheidene Geschichte erzählen. Diese füllen sie jedoch mit so viel Herzblut, dass es eine pure Freude ist, ihnen zuzusehen. Genau so geschieht es gerade wieder mit VERSTEHEN SIE DIE BÉLIERS? – einer herzerweichenden Story um eine etwas andere Familie. Dabei wird der Film von seinem wunderbaren Ensemble getragen, das vielleicht manchmal am Rande des Slapsticks agiert, dabei jedoch niemals den Kern der Geschichte verliert: Eine Familie hält zusammen, egal was passiert!
» zur ausführlichen Kritik
» zum Interview mit François Damiens
Voll verzuckert – That Sugar Film
Der australische Filmemacher Damon Gameau wartet in VOLL VERZUCKERT – THAT SUGAR FILM mit einem immens wichtigen Thema auf: dem übermässigen Zuckerkonsum. Gerade in Light-Produkten, die ja eigentlich gesünder sein sollen, wird mehr und mehr Zucker beigefügt. Gameau hat sich daher einem äußerst interessantem Experiment unterzogen, nachdem er sich bislang immer sehr gesund ernährt hatte und zudem topfit war. Er nahm exakt die gleiche Anzahl an täglichen Kalorien zu sich, setzte dabei aber ausschließlich auf die als gesund geltenden Light-Produkte. Das Ergebnis ist ziemlich erschreckend und sollte von jedem gesehen werden. Zusätzlich begibt sich Gameau auf eine kleine Weltreise, um mehr über das „Zuckerproblem“ herauszufinden. Die Einblicke, die er dabei bietet, sind wirklich eindringlich und erleuchtend, ob es nun um von Lebensmittel-Konzernen gesponserte Experten oder die Invasion von Coca Cola & Co. in das bis dato zuckerfreie Leben der Aborigines geht. Visuell ansprechend erläutert Gameau die Auswirkungen des Zuckers und lässt so manches Mal das Blut in den Adern der Zuschauer gefrieren.
A Perfect Day
Wenn der Krieg vorüber ist, schlägt die Zeit der humanitären Hilfsarbeiter. Sie kümmern sich um die Bevölkerung und bauen die Infrastruktur wieder auf. Das das kein einfacher Job ist, zeigt A PERFECT DAY ziemlich eindrucksvoll. Selbst nach dem Ende der Kampfhandlungen tobt der Krieg im Stillen weiter. Dem täglichen Wahn begegnen die Hilfsarbeiter mit trockenem Humor – wahrscheinlich ist das aber auch der einzige Weg, mit diesen Situationen umzugehen und die Schicksale nicht allzu sehr an sich heran zu lassen. Ansonsten wäre man dieser Herkulesaufgabe menschlich sicher nicht gewachsen. Der spanische Regisseur Fernando Léon de Aranoa legt mit A PERFECT DAY einen vielschichtigen Film vor, der zum Nachdenken anregt, gleichzeitig aber auch einen humorvollen Blick in die Arbeit von Hilfsarbeitern in einem Krisengebiet bietet. Absolut sehenswert!
» zur ausführlichen Kritik
» zum Interview mit Fernando Léon de Aranoa
Virgin Mountain
Mit gerade mal 330.000 Einwohnern grenzt es fast schon an ein Wunder, das Jahr für Jahr so viele wunderschöne Filme aus dem fernen Island kommen. VIRGIN MOUTAIN ist nun der nächste Vertreter und was der Regisseur Dagur Kári Pétursson vorlegt, dürfte jedes Herz zum Schmelzen bringen. VIRGIN MOUTAIN verzichtet bewusst auf die typischen Zutaten einer romantischen Komödie. „Immer wenn man in einem Film eine Boy-Meets-Girl Geschichte hat, schalten die meisten Drehbücher auf Autopilot“, verriet uns der Regisseur im Interview. „Das wollte ich unbedingt vermeiden“. Gelungen ist ihm das auch und gerade der Verzicht auf ein schnulziges Ende macht diesen Film zu etwas ganz Besonderem. Eine Perle, die es unbedingt zu entdecken gilt.
» zur ausführlichen Kritik
» zum Interview mit Dagur Kári Pétursson
A Girl Walks Home Alone At Night
Die Regisseurin Ana Lily Amirpour erzählt in wundervoll poetischen Schwarz-Weiß-Bildern eine Geschichte, die ohne viel Dialoge auskommt. Dabei setzt sie auf einen eindrucksvollen Soundtrack aus Pop, Rock, Electro und Techno, der die düstere Geschichte perfekt umfließt. A GIRL WALKS HOME ALONE AT NIGHT wirkt wie eine Mischung aus einer reudzierten Version von Jim Jarmushs ONLY LOVERS LEFT ALIVE und SO FINSTER DIE NACHT. Jeder, der ästhetisch anspruchsvolles Kino mag, der sollte sich A GIRL WALKS HOME ALONE AT NIGHT auf gar keinen Fall entgehen lassen!