Der 33-jährigen Mathieu (Pierre Deladonchamps) hat seinen leiblichen Vater nie kennengelernt. Eines Tages erhält er einen mysteriösen Anruf aus Kanada, sein Vater sei tot und habe ihm ein Päckchen hinterlassen. Neugierig und erwartungsvoll entschließt er sich zu einer Reise ins Unbekannte. In Montreal erwarten ihn zwei ahnungslose Halbbrüder. Pierre (Gabriel Arcand), Überbringer der Todesnachricht und Freund des Verstorbenen, will die Existenz eines weiteren Sohnes geheim halten, so dass ein Versteckspiel beginnt. Getarnt als Freund Pierres ergründet Mathieu seine Wurzeln und deckt dabei verborgene Familiengeheimnisse auf.
Relativ nüchtern, aber dafür sehr emotional erzählt DIE KANADISCHE REISE die Suche eines Mannes nach seiner Herkunft.
Bereits 2006 zeigte Regisseur und Drehbuchautor Philippe Lioret, dass er ein Händchen für extrem gut beobachtete Figuren besitzt. In KEINE SORGE, MIR GEHT‘S GUT (Je vais bien, ne t’en fais pas) zeigte er ein junges Mädchen, das am Verlust ihres Bruder beinahe zu zerbrechen drohte und wozu Menschen imstande sind, um anderen ihr Leid zu lindern. In DIE KANADISCHE REISE geht Lioret jetzt einen ähnlichen Weg, denn seine Hauptfigur Mathieu ist schon immer auf der Suche nach seiner Herkunft gewesen. Während seine Mutter ihm immer weismachen wollte, er wäre das Ergebnis einer kurzen, unbedeutenden Nacht, genügt ihm diese Antwort nie. Kein Wunder also, dass ihn die Nachricht, sein leiblicher Vater sei verstorben, sofort dazu veranlasst, nach von Paris nach Kanada zu reisen. Schließlich erhofft er sich dort die Antworten auf die Fragen, die er sich sein Leben lang gestellt hat.
Dem Zuschauer wird recht schnell klar, dass es hier noch ein Geheimnis gibt, das es zu offenbaren gilt. Und auch wenn der erste Eindruck nicht trübt, so ist der Weg dorthin das eigentliche Ziel. Genau das macht diesen wunderbaren Film aus, denn er verzichtet gänzlich auf die üblichen Höhepunkte oder auf unausweichliche Katastrophen – man könnte behaupten, er plätschere einfach so dahin. Auch wenn das im ersten Moment negativ klingt, ist es in diesem Fall ein wunderbarer Kniff des Drehbuchs, denn so können wir uns als Zuschauer noch mehr in die Gefühlswelt des Protagonisten hineinversetzen, der sich von neu gewonnenen Erkenntnissen treiben lässt. Dadurch erkennt er, was im Leben wichtig ist und das Verbitterung niemandem wirklich hilft. Besonders das Ende hebt sich wohlwollend von anderen Filmen ähnlicher Machart ab, denn es lässt dem Zuschauer sehr viel Freiraum zur Interpretation – aber auch die Gewissheit, dass sich alles im Leben fügen wird. Wenn man es nur zulässt.
Le fils de Jean (Frankreich 2016)
98 Minuten
Drama
Philippe Lioret
Philippe Lioret, nach einem Roman von Jean-Paul Dubois
Pierre Deladonchamps, Gabriel Arcand, Catherine de Léan, Marie-Thérèse Fortin, Pierre-Yves Cardinal
temperclayfilm