Wie verfilmt man ein Buch, in dem eigentlich nichts passiert und das so gut wie ohne direkte Rede auskommt? Nun, Lutz Heineking Jr. zeigt uns mit DER PFAU, das so etwas durchaus möglich ist.
Als die Gruppe von deutschen Investmentbankern nach und nach auf einem schottischen Anwesen eintrifft, stehen die Zeichen nicht gerade auf Entspannung. Die Jahresbilanz ist mies, und es gehen Gerüchte um, dass die Jobs auf der Kippe stehen. Erstklassige Voraussetzung also für ein Teambuilding-Seminar im Herrenhaus von Lord und Lady, sowie ihrem skurrilem Personal. Als dann auch noch der Lieblings-Pfau des Lords verrückt spielt und am nächsten Tag tot aufgefunden wird, ist guter Rat teuer…
Dass dieser Film überhaupt zustande gekommen ist, grenzt fast an ein Wunder. Als der Regisseur Lutz Heineking Jr. nämlich im Urlaub auf den Roman DER PFAU von Isabel Bogdan stieß (wohlgemerkt „weil das Cover so toll aussah“), schrieb er die Autorin direkt im Anschluss – und nach Anbruch einer Flasche schottischem Whisky – auf Facebook an und fragte, ob die Rechte noch zu haben seien. „Na Du bist mir ja ein Profi“, dachte Bogdan, antwortete ihm aber dennoch, schließlich „hatte man ja 27 gemeinsame Freunde“, so Bogdan im Interview mit nochnfilm.de. Entstanden ist aus dieser amüsanten Begegnung ein Film, der sich durchaus sehen lassen kann.
Während des Schreibens des Drehbuchs musste Heineking Jr. dann aber sehr schnell feststellen, dass sich der Stoff doch gar nicht so leicht verfilmen lies. Schließlich lebt das Buch von indirekter Rede im Stil von „…aber das sagte sie nicht“ oder „…aber das dachte er nur“. Wie zum Teufel soll man das in einen Film umwandeln? Zusammen mit seinen Co-Autoren Christoph Mathieu und Sönke Andresen ist es Heineking Jr. aber dann doch gelungen.
Die Nachwirkungen der Pandemie machten einen Dreh in Schottland zudem nicht gerader einfach, und so entschied sich das Team, den Film hauptsächlich in einem Anwesen in Belgien, sowie in den MMC Studios in Hürth bei Köln zu drehen. Lediglich für die Landschaftsaufnahmen, die in Glen Coe entstanden sind, flog das Team nach Schottland. Dass das selbst mir als Schottland-Kenner bei der Erstsichtung nicht aufgefallen ist, zeugt für eine gute Arbeit.
Klar, hier und dort hätte ich mir ein klein wenig mehr Biss gewünscht, aber das hat meinen Genuss nur minimal getrübt. Zudem bin ich ein Freund davon, Schauspieler auch mal gegen den Strich zu besetzen – und Jürgen Vogel als Banker mit perfekten Zähnen und einer wallenden Haarpracht hätte ich mir vorher auch nicht wirklich vorstellen können. Chapeau! Aber auch Svenja Jung als Seminarleiterin ist eine absolute Wucht!
Im Prinzip handelt der Film eigentlich nur davon, dass jeder der Protagonisten immer nur einen Teil der Geschichte rund um diesen verrückten Pfau kennt. Wüssten alle alles, wäre der Film sehr schnell vorbei. Heineking Jr. nutzt diesen Umstand und erzählt die Geschichte multiperspektivisch in aufeinanderfolgenden Episoden, die sich letztendlich zu einem Ganzen zusammenfügen. Zwar ist auch am Ende eigentlich nicht wirklich etwas passiert, aber bekanntermaßen ist ja der Weg das Ziel. Und der ist hier stellenweise tatsächlich so absurd, dass es beim Zuschauen einen Heidenspaß macht, diesem spielfreudigen Ensemble zu zuzusehen.
Im Rahmen der Hamburg-Premiere in der Astor Film Lounge HafenCity hatte ich die Gelegenheit, mich mit der Autorin Isabel Bogdan und dem Regisseur Lutz Heineking Jr. zu unterhalten. Wir sprachen über die Entstehung des Films, die Zusammenarbeit zwischen Bogdan und Heineking Jr. sowie natürlich auch über Schottland an sich.
Der Pfau (Deutschland / Belgien 2023)
105 Minuten
Komödie / Drama
Lutz Heineking Jr.
Christoph Matthieu, Sönke Andresen, Lutz Heineking Jr., nach dem gleichnamigen Roman von Isabel Bogdan
Lavinia Wilson , Serkan Kaya, Tom Schilling, David Kross, Jürgen Vogel, Svenja Jung, Annette Frier, Philip Jackson, Victoria Carling, Domitila Barros, Linda Reitinger, Peter Trabner
Tobis Film GmbH & Co. KG