Der Meister und Margarita

01.05.2025

Extrem überladene Filme mit Überlänge scheinen im Trend zu liegen – Filme, in die der Regisseur in einem wilden Stilmix alles nur Erdenkliche hineinstopft, was heute technisch und ästhetisch nur möglich ist. Im vergangenen Jahr scheiterte so Francis Ford Coppola mit „Megalopolis“ kläglich, Tom Tykwer überzeugte mit „Das Licht“ immerhin die Hälfte seiner Zuschauer, und Brady Corbet holte mit „Der Brutalist“ alle ins Boot. Und auch die Politsatire DER MEISTER UND MARGARITA von Michael Lockshin gehört in dieses Genre – in meinen Augen eine der besten Literaturverfilmungen aller Zeiten.

Zur Vorlage: Der satirische Roman „Der Meister und Margarita“ des sowjetkritischen Schriftstellers Michail Bulgakow (1891-1940) gilt inzwischen als eines der besten Werke moderner Literatur im 20. Jahrhundert. Der Autor schrieb zwölf Jahre an seinem Hauptwerk und diktierte noch auf dem Sterbebett seiner Frau die letzte Fassung. Doch erst 1966 erschien der Roman in stark zensierter Form in der UdSSR und wurde im Westen schnell zu einer Art Kultbuch.

1967 schenkte die britische Popsängerin Marianne Faithfull ihrem damaligen Freund Mick Jagger das Buch in englischer Übersetzung. Jagger nutzte den Roman als Vorlage zu einem der berühmtesten Songs der „Rolling Stones“: „Sympathy For The Devil“. Und in einer ganz bestimmten Szene des Films glauben wir tatsächlich Micks Stimme zu hören:

I was ‚round when Jesus Christ
Had his moment of doubt and pain
Made damn sure that Pilate
Washed his hands and sealed his fate.

Rolling Stones: Sympathy For The Devil

Wow!

Moskau in den 1930er-Jahren: Das Werk eines namenlosen Schriftstellers, genannt der Meister (Jewgeni Zyganow), wird vom sowjetischen Staat zensiert und die Premiere seines Theaterstücks über Pontius Pilatus aus ideologischen Gründen abgesagt. Nach seinem Ausschluss aus dem sowjetischen Schriftstellerverband wird der Autor zu einem Ausgestoßenen, der keine Mittel zum Überleben hat. Doch inspiriert von seiner Geliebten und Muse Margarita (Julija Snigir) beginnt er einen neuen Roman, in dem er Menschen aus seinem realen Leben in satirisch überspitzter Gestalt auftreten lässt.

Als er auf der Straße von einem geheimnisvollen Mann, der sich als Woland (August Diehl) vorstellt, angesprochen wird, ist das Thema des Buches gefunden. Der russisch mit deutschem Akzent redende Woland schlägt dem Meister vor: Wie wäre es, wenn der Teufel Moskau besuche? Schnell wird klar: Woland ist direkt Goethes „Faust“ entsprungen und wirklich der Teufel! In der Originalfassung sprechen die beiden von nun an nur noch deutsch – schließlich ist der russische Intellektuelle multilingual ausgebildet worden. Auch er kennt seinen Goethe.

Allmählich nimmt der Film immer mehr Fahrt auf. Die Handlungsebenen verzahnen sich immer enger – und der Meister kann bald nicht mehr zwischen Realität und Fiktion unterscheiden. Wir Zuschauer sehen Pontius Pilatus (Claes Bang) mit Jesus alias Yeshua Ha-Nozri (Aaron Vodovoz) verhandeln und erleben dekadente Orgien der sowjetischen Führung. (Diese Szenen könnten aus Stanley Kubricks „Eyes Wide Shut“ stammen.)

Der Chef eines Irrenhauses spielt eine wichtige Rollen – ebenso der sprechende Kater Behemoth. Aus einer Politsatire ist längst ein überbordender Fantasy-Albtraum geworden, bei dem Regisseur Michael Lockshin alle nur erdenklichen Effekte einsetzt. Eine filmische Achterbahnfahrt! Und dann brennt ganz Moskau…

Im Drehbuch, das Michael Lockshin gemeinsam mit Roman Kantor schrieb, kombinierten die beiden Autoren den Roman mit Szenen aus Bulgakows Leben. Die Figur des Meisters ist rein äußerlich eine Mischung aus Michail Bulgakow selbst und (Frisur!) Boris Pasternak. Das Feindbild im Roman ist eindeutig Stalin – im Film könnte auch der aktuell autoritär in Russland regierende Präsident gemeint sein. Dass das Geld für diese extrem teure Produktion ausgerechnet aus staatlichen russischen Quellen stammt, wirkt schon ein bisschen verwunderlich. Hatte Putin nicht bemerkt, was für ein Kuckucksei er sich da ins Nest gelegt hat?

Roman und Film sind zugegeben schwere Kost! Bis zum Schluss bleiben bei dieser 156 Minuten langen Allegorie viele Fragen offen. Für genug Diskussionsstoff danach im Kinofoyer ist also gesorgt. DER MEISTER UND MARGARITA ist eine Herausforderung, die sich lohnt! Und ein visuelles Wunder!

Trailer

ab12

Originaltitel

Master i Margarita (Russland / Kroatien 2023)

Länge

156 Minuten

Genre

Drama / Fantasy / Historie

Regie

Michael Lockshin

Drehbuch

Michael Lockshin, Roman Kantor, basierend auf dem Roman von Michail A. Bulgakow

Kamera / Director of Photography (DOP)

Maxim Schukow, RGC

Darsteller

August Diehl, Julia Snigir, Jewgeni Zyganow, Polina Aug. Claes Bang, Polina Aug, Juri Kolokolnikow, Alexei Rosin, Dmitri Lysenkow, Alexei Guskow, Jewgeni Knjasew, Danil Steklow, Alexander Jazenkow

Verleih

Capelight Pictures Gerlach Selms GbR

Filmwebsite

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