Der Mann, der seine Haut verkaufte

24.02.2022

Es scheint auf den ersten Blick gewagt, den modernen Kunstmarkt mit der heutigen Flüchtlingsproblematik zu verbinden. Doch DER MANN, DER SEINE HAUT VERKAUFTE der tunesischen Regisseurin Kaouther Ben Hania versucht es – mit beachtlichem Erfolg. Bei den Filmfestspielen von Venedig erhielt der Hauptdarsteller Yahya Mahayni 2020 einen Preis. Jetzt ist der Film bei uns zu sehen.

Ausgangspunkt der Regisseurin, die auch das Drehbuch schrieb, ist eine wahre Geschichte: 2008 tätowierte der belgische Konzeptkünstler Wim Delvoye (er spielt im Film eine kleine Nebenrolle) eine aufwändige Punk-Kreuzigungsszene auf den Rücken eines Zürcher Tattoo-Studio-Besitzers namens Tim Steiner und präsentierte das lebendige Kunstwerk weltweit. Daraus entwickelte die Regisseurin ihre bizarre Geschichte über einen gestrandeten Flüchtling.

Der Syrer Sam Ali (Yahya Mahayni) liebt Abeer (Dea Liane), eine Tochter aus reichem Haus. Als er vor der politischen Polizei in den Libanon flüchten muss, wird sie von ihrer Familie genötigt, einen in Belgien lebenden syrischen Diplomaten zu heiraten. Als Sam Ali bei einer Vernissage in Beirut heimlich Essen klaut – man muss ja leben , wird er vom Künstler Jeffrey Godefroi (Koen De Bouw) und dessen Managerin Soraya (Monica Bellucci!) überredet, seinen Rücken zu „verkaufen“. Es erwartet ihn ein Visum nach Brüssel – zu Abeer! Er willigt ein, und Jeffrey tätowiert ein „Schengen-Visum“ auf seinen Rücken, als ein künstlerisches Mahnmal zur Lage der Flüchtlinge in Europa.

Erster Ausstellungsort ist Brüssel. Dank seines Vertrags lebt Sam Ali in einem Luxus-Hotel und darf sich Kaviar zum Abwinken bestellen. Doch jeden Tag muss er im Museum mit nacktem Rücken stumm auf einem Podest sitzen und sich bestaunen lassen. Eines Tages erscheinen auch Abeer und ihr Mann, der einen Riesen-Skandal auslöst und dabei ein wertvolles Gemälde zerstört. Sam Ali will seinen Vertrag auflösen, doch Jeffrey und Soraya bleiben knallhart.

DER MANN, DER SEINE HAUT VERKAUFTE ist vom Thema her symbolisch extrem überladen. Die Parabel von einem Menschen, der sich (mehr oder weniger freiwillig) zu einem Kunstobjekt verwandeln lässt, ist natürlich zutiefst menschenverachtend. Wer damit Probleme hat – und ich schließe mich dabei nicht aus -, gehe lieber nicht ins Kino. Aber der Rest der Zuschauer kann lange nach dem Filmerlebnis über das provokante Gesehene diskutieren. Auch wenn der Schluss grenzwertig ist (Achtung: Kitsch!), sollte sich jeder diesen Film ansehen. Eine ungewöhnliche Herangehensweise an ein Thema, das uns alle auf den Nägeln brennt. Nur: Warum verirrte sich Monica Bellucci in einen tunesischen Film?

Trailer

ab12

Originaltitel

The Man Who Sold His Skin (Tunesien / Frankreich / Belgien / Schweden / Deutschland 2020)

Länge

108 Minuten

Genre

Drama

Regie

Kaouther Ben Hania

Drehbuch

Kaouther Ben Hania

Darsteller

Yahya Mahayni, Dea Liane, Koen de Bouw, Monica Bellucci, Saad Lostan, Darina Al Joundi, Jan Dahdough, CHristian Vadim, Marc de Panda, Husam, Chadat, Rupter Wynne-James, Wim Delvoye

Verleih

[eksystent distribution] Filmverleih Jakob Kijas

Filmwebsite

» zur Filmwebsite

Weitere Neustarts am 24.02.2022