Der Film der Woche

Cop Secret

23.06.2022

Hannes Þór Halldórsson ist Torwart der isländischen Fußball-Nationalmannschaft und Filmemacher in Personalunion. Mit COP SECRET legt er sein Regiedebüt vor und bringt uns eine unfassbar starke Actionfilm-Parodie, die Reykjavik wie eine Millionenmetropole aussehen lässt. 

Bússi (Auðunn Blöndal) ist Supercop in Reykjavik, und Regeln gelten für ihn schlichtweg nicht. Trotz der mahnenden Worte seines Kollegen Klemenz (Sverrir Þór Sverrisson) steuert er seinen aufgemotzten Wagen mit überhöhter Geschwindigkeit durch die Straßen seiner Stadt und nimmt eine Ampel nach der anderen bei Rot. Sie verfolgen schließlich eine Bankräuberin auf einem Motorrad, und dabei muss doch wohl alles erlaubt sein. Die Verfolgung endet jäh, als sie die Bezirksgrenze erreichen – hier beginnt das Gebiet eines weiteren Supercops. Hörður (Egill Einarsson) ist durchtrainiert und in allen Lebenslagen extrem gut gekleidet. Die resolute Polizeichefin Þorgerður (Steinunn Ólína Þorsteinsdóttir) hat genug von dem machohaften Auftreten der beiden konkurrierenden Polizisten, und so zwingt sie sie dazu, gemeinsam zu ermitteln. Irritiert von der seltsamen Reihe von Banküberfällen, bei denen erstaunlicherweise niemals etwas gestohlen wird, jagen sie einen Schurken, der die Stadt in Schach hält. Parallel zum Frauenfußballmatch Island gegen England kommt es zum großen Showdown…

Diesem Mann muss man einfach Respekt zollen. Noch während er für die Isländer im Tor stand, arbeitete er parallel an seinem ersten Film. Jede freie Minute nutzte er für die Verwirklichung seines Traums und machte das Unmögliche möglich. Als Riesen-Fan von Filmen wie „Stirb Langsam“ oder „Fast & Furious“ war ihm schnell klar, dass er genau so etwas auch machen wollte. Nur eben in der isländischen Hauptstadt, die aber mit gerade mal knapp 130.000 Einwohner nicht gerade wie eine Millionenmetropole aussieht. Aber Halldórsson ließ sich nicht von seinem Plan abbringen und nutzt einfach viele kleine Tricks im Schnitt, um die groiße Illusion zu erstellen. Schließlich war das Budget extrem klein, so dass man sich kein Explosionen oder durch die Luft fliegende Autos leisten konnte. Im Interview hat uns Halldórsson verraten, dass man für das Budget von James Bond 1040 Mal COP SECRET hätte drehen können. Oder andersherum gesagt: Man hatte ungefähr 0,3 % des Budgets des letzten Teils von Fast & Furious zur Verfügung. Und da es sich um keinen typischen isländischen Film handelt, standen ihm auch nur etwa die Hälfte der sonst üblichen Fördergelder zur Verfügung. Umso erstaunlicher ist es daher, dass das Ergebnis so viel größer aussieht.

Entstanden ist die Idee für den Film vor etwa zehn Jahren, als er als Regisseur für Werbefilme tätig war und von einer Comedy-Show die Anfrage bekam, einen fiktiven Trailer über zwei konkurrierende Polizisten in Reykjavik zu drehen. Dieser kam so gut an, dass wir dadurch jetzt den kompletten Film sehen dürfen.

Einen weiteren Trick, um den Film größer wirken zu lassen, als er im Endeffekt ist, hat sich Halldórsson von Robert Zemeckis „geliehen“. Der bat nämlich seinerzeit den Komponisten für seinen Film „Zurück in die Zukunft“, ob er den Film durch den Sound nicht größer machen könne. Schließlich war das Budget klein und der Film spielte nur an wenigen Schauplätzen. Wenn wir Zemeckis‘ Film heute sehen, wirkt er immens groß – durch seinen starken Soundtrack.

Aber auch die Dreharbeiten selbst gestalteten sich nicht wirklich einfach. Schließlich konnte Halldórsson immer nur in seiner Fußball-freien Zeit drehen – er stand ja immer noch unter Vertrag. Hinzu kommt das unbeständige Wetter Islands und natürlich die zusätzlichen Maßnahmen, damit sich niemand der Crew mit Corona infiziert.

Anfang November 2021 hat COP SECRET die Nordischen Filmtage in Lübeck eröffnet. Das war in erster Linie eine Überraschung, findet man solche Filme doch eher selten auf Festivals. Es scheint hier jedoch generell ein Umdenken zu geben, denn auch das Edinburgh International Film Festival wurde in diesem Jahr mit einem eher ungewöhnlichen Film eröffnet: PIG mit Nicolas Cage. Der neue künstlerische Leiter in Lübeck, Thomas Hailer, hat daher bewusst mit Traditionen gebrochen und damit in meinen Augen alles richtig gemacht. Doch die Überraschung sollte noch größer werden, denn COP SECRET wurde zudem noch in Lübeck mit dem Preis des Freundeskreis der Nordischen Filmtage für das beste Spielfilmdebut ausgezeichnet. Bravo!

Halldórsson gelingt es zudem, die toxische Maskulinität des Films mit sehr einfachen Mitteln zu relativieren. Da die beiden Hauptfiguren, so wie auch der Bösewicht, durch den Trailer des Comedy-Show bereits feststanden, sorgte sich der Regisseur ein wenig über die Balance der Geschlechter in seinem Film. Also fing er an, weitere Rollen mit weiblichen Figuren zu besetzen. Hinzu kommt die Einbeziehung des weiblichen Fußballteams – jeder andere hätte vermutlich erwartet, dass er seine eigenen Teamkollegen an Bord holen würde, aber dem war zum Glück nicht so.

COP SECRET fehlt vielleicht das große Budget, und hin und wieder sind die Sparmaßnahmen deutlich zu sehen, aber da man dem Film zu jedem Zeitpunkt anmerkt, mit wieviel Herzblut er entstanden ist, kann man nur seinen Respekt zollen. Alles andere wäre zynisch und nicht angebracht.

Interview

Im Rahmen der Nordischen Filmtage in Lübeck haben wir den Regisseur Hannes Þór Halldórsson zum Interview getroffen und mit ihm über seinen Film, den Spagat zwischen Fußballkarriere und Filmemacherei und vieles mehr gesprochen.

Trailer

Im Rahmen der Berichterstattung
ab16

Originaltitel

Leynilögga (Island 2021)

Länge

100 Minuten

Genre

Action / Komödie

Regie

Hannes Þór Halldórsson

Drehbuch

Nína Petersen, Sverrir Þór Sverrisson, Hannes Þór Halldórsson

Darsteller

Auðunn Blöndal, Egill Einarsson, Sverrir Þór Sverrisson, Steinunn Ólína Þorsteinsdóttir, Vivian Olafsdottir, Björn Hlynur Haraldsson, Rúrik Gíslason

Verleih

MFA+ FilmDistribution e.K.

Weitere Neustarts am 23.06.2022