Charter

Aus beruflichen Gründen ist Alice (Ane Dahl Torp) aus der Provinz nach Stockholm gezogen. Ihre beiden Kinder sind bei ihrem Mann geblieben. Als Alice erfährt, dass er sich das alleinige Sorgerecht zusprechen lassen will, fährt sie zurück, weil sie glaubt, dass Vincent und Elina bei ihm unglücklich sind. Kurzentschlossen bucht sie für sich und die Geschwister einen Charterflug nach Teneriffa und entführt die beiden aus dem verschneiten Norden in den kanarischen Sommer… 

Kritik

Amanda Kernell macht es dem Zuschauer in ihrer zweiten Langfilm-Regiearbeit CHARTER wirklich nicht leicht. Man hat das Gefühl, alles würde sie alles daran setzen, keinerlei Sympathien für ihre Hauptfigur aufkommen zu lassen.  Denn die von Ane Dahl Torp gespielte Alice begeht so ziemlich alle Fehler, die man während des Prozesses einer Scheidung machen kann. Anstatt das Urteil des Gerichts abzuwarten, das entscheiden soll, wer das Sorgerecht für die beiden Kinder erhalten soll, entführt sie beide stattdessen nach Teneriffa und macht sich damit alle Chancen zunichte. Aber auch im Verhältnis zu ihren Kinder greift sie in so manches Fettnäpfchen, indem sie ihren Ex-Mann bei den Kindern schlecht macht. 

Doch auch der Vater kommt nicht zwingend besser davon, erweckt er doch gleich beim ersten Zusammentreffen den Eindruck, als hätte er seine Wut nicht immer im Griff. Allerdings erfahren wir eigentlich zu wenig über ihn, um uns ein wirkliches Bild zu machen. Das führt dazu, dass man sich als Zuschauer fragt, wohin der Film überhaupt gehen will, bzw. wie sich Kernell aus dieser scheinbar aussichtslosen Situation befreien will.

Bereits in ihrem Langfilm-Debut SAMI BLOOD (Das Mädchen aus dem Norden) hat Kernell gezeigt, dass sie ein unfassbar gutes Händchen für einen realistischen Blick auf ihre Figuren hat. Auch hier zeigt sie uns ein Bild einer Frau, von der wir denken, sie zu kennen. Doch was davon sind Vorurteile und was entspricht tatsächlich der Wahrheit?

Am Ende überrascht sie uns mit einer unerwarteten Selbstreflexion ihrer Hauptfigur, die uns in Erinnerung bringt, dass uns bei einer Trennungsgeschichte wie dieser meist der eine Part wesentlich vertrauter ist, als der andere. Dieses Ungleichgewicht und die Schlüsse, die wir zumeist daraus ziehen, bildet Kernell mit ihrem Film nahezu perfekt ab. Und auch wenn unsere Suche nach Sympathiepunkten für Alice nicht unbedingt von Erfolg gekrönt ist, so tritt an deren Stelle zumindest eine Art von Verständnis. Und die Erkenntnis, dass für eine Sorgerechtsentscheidung immer beide Seiten relevant sind – so unterschiedlich sie auch sind.

Trailer

Im Rahmen der Berichterstattung
FSK noch unbekannt

Originaltitel

Charter (Schweder / Norwegen / Dänemark 2020)

Länge

94 Minuten

Genre

Drama

Regie

Amanda Kernell

Drehbuch

Amanda Kernell

Darsteller

Ane Dahl Torp, Sverrir Gudnason, Troy Lundkvist, Tintin Poggats Sarri, Johan Bäckström, Eva Melander, Siw Erixon

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