Bis ans Ende der Nacht

22.06.2023

Ein Film Noir lebt seit den 1940er-Jahren davon, dass man nicht unbedingt die Handlung fehlerfrei nacherzählen kann – vieles wird nur angedeutet, vieles bleibt bis zum Ende rätselhaft. Christoph Hochhäusler präsentierte bei der Berlinale vor wenigen Monaten seine Neo-Noir-Version BIS ANS ENDE DER NACHT, für die Thea Ehre den Silbernen Bären für die Beste Nebenrolle erhielt. Manche meiner Kollegen verglichen damals den extrem düsteren Thriller mit einem „Tatort“-Krimi. Dem kann ich nicht zustimmen – der Film verzichtet komplett auf eine gängige Dramaturgie, was für einen TV-Krimi schlichtweg das Todesurteil bedeuten würde. Wer möchte denn im Fernsehsessel sitzen – und nichts verstehen? Wir Kinozuschauer sind da einen Schritt voraus. Und jetzt kommt BIS ANS ENDE DER NACHT endlich in die Lichtspielhäuser.

Der verdeckte Ermittler Robert (Timocin Ziegler) wird auf den Frankfurter Drogenboss Victor (Michael Sideris) angesetzt. Als Lockvogel soll ihm Leni (Thea Ehre) dienen, mit der er vor zwei Jahren eine heiße Affäre hatte. Damals war Leni noch ein Mann – inzwischen hat sie das Geschlecht gewechselt und wartet auf die entscheidende Operation. Sie saß zwei Jahre wegen eines Drogendelikts im Knast und kommt jetzt auf Bewährung frei, wenn sie beim Deal mitmacht. Als (angebliche) Freundin von Robert baggert Leni ziemlich aufdringlich Victor an und mischt die Frankfurter Nachtszene dabei tüchtig auf.

Irgendwann merkt Robert, dass seine Gefühle für Leni doch tiefer sind als erwartet – und auch ausgerechnet Victor rät seinem Erzfeind, sich zu seiner Liebe zu bekennen. Doch am Ende legt Leni alle rein – sie hatte von Anfang an ein doppeltes Spiel durchgezogen. Eben typisch Film noir!

Regisseur Christoph Hochhäusler und sein Drehbuchautor Florian Plumeyer haben uns ein vertracktes Drama vorgelegt – und Kameramann Reinhold Vorschneider hat das Ganze in kalte, brillante Farben getaucht. Im Idealfall bilden Form und Inhalt eine Einheit – doch hier überwiegt der Stil. Vieles hat mich dabei an die Gemälde von Edward Hopper erinnert. Wir erleben hier einen visuellen Geniestreich. Das müssen wir mögen! Und Thea Ehre als Trans-Frau Leni ist einfach eine Wucht. Bravo!

Trailer

Im Rahmen der Berichterstattung
ab12

Originaltitel

Bis ans Ende der Nacht (Deutschland 2023)

Länge

120 Minuten

Genre

Krimi / Drama / Romanze

Regie

Christoph Hochhäusler

Drehbuch

Florian Plumeyer

Darsteller

Timocin Ziegler, Thea Ehre, Michael Sideris, Ioana Iacob, Rosa Enskat, Aenne Schwarz, Gottfried Breitfuß, Sahin Erylmaz, Ronald Kukulies

Verleih

Grandfilm GmbH

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