Berlinale 2014 (Teil 2)

Der vierte Tage meiner ersten Berlinale beginnt vielversprechend. Mit CALVARY gibt des den neuen Film von John Michael McDonagh, der bereits mit THE GUARD zu überzeugen wusste. 

AM SONNTAG BIST DU TOT (Calvary)

CalvaryAusgerechnet der Beichtstuhl wird in einem irischen Dorf zum Ausgangspunkt einer verhängnisvollen Verkettung von Ereignissen. Ein Mann eröffnet Beichtpfarrer James Lavelle, dass er als Kind jahrelang von einem Priester missbraucht wurde. Er plant nun, sich zu rächen, indem er einen Priester tötet – Lavelle. Er gibt ihm eine Woche Zeit, sein Leben zu ordnen. Da ihm das Beichtgeheimnis verbietet, zur Polizei zu gehen, begibt sich der gutherzige Priester selbst auf die Suche, um seinen zukünftigen Mörder vor der Tat zu bewahren. Das erweist sich als mühsames Unterfangen, da die Pfarrgemeinde voll von kampfeslustigen schwarzen Schafen ist. Bald werden die sinistren Unterströmungen, die Lavelle zu ignorieren versucht, stärker und die Mächte der Finsternis schließen sich enger um ihn. Er muss sich fragen, ob er den Mut hat, sich seinem Golgatha zu stellen.

Fazit:
Der deutsche Titel von CALVARY klingt recht einfallslos. um Glück ist es der Film nicht. Unsere ausführliche Kritik zum Kinostart gibt es hier.

EINER NACH DEM ANDEREN (Kraftidioten)

KraftidiotenDer in sich gekehrte und arbeitsame Nils hält mit mächtigen Schneepflügen die Wege und Bergpässe seiner Gemeinde in der unwirtlichen norwegischen Winterlandschaft frei. Gerade ist er dafür zum Bürger des Jahres gekürt worden, da erreicht ihn die Nachricht, sein Sohn sei an einer Überdosis Heroin gestorben. Nils glaubt nicht an die offizielle Todesursache und beginnt eine heimliche Suche nach den vermeintlichen Mördern. Durch einige überraschende Wendungen wird er zu einem knallharten, gefürchteten Helden der Unterwelt, dessen Identität niemand kennt. Blutig-schwarze Komödie voller großer Bilder einer winterlich-weißen, schier endlos wirkenden Landschaft, die Nils für seine Zwecke zu nutzen versteht.

Fazit:
Mit herrlich schwarzen Humor geht es weiter am vierten Tag. Unsere ausführliche Kritik zum Kinostart gibt es hier.

WATERMARK

WatermarkUnser Körper besteht zu zwei Dritteln aus Wasser. Zwei Drittel der Erde sind vom Urelement bedeckt. Wasser verbindet Menschen, wenn sie gemeinsam davon trinken, ein heiliges Bad nehmen oder sich die Kraft der Flüsse und Ozeane nutzbar machen. Zwanzig Stationen in zehn Ländern verbinden sich in diesem Film zu einem großen Ganzen. Die giftigblauen Rinnsale der Ledergerbereien in Bangladesch sind dabei genauso Teil des einen Wasserkreislaufs wie die unberührten Seen in Britisch-Kolumbien. Schon immer mussten Menschen die Quellen der flüssigen Ressource sichern. Und mittlerweile gefährden sie diese durch extensive Nutzung nachhaltig. Auf der gewaltigen Baustelle des chinesischen Xiluodu-Staudamms scheint der Kreislauf des Lebens vorläufig stillzustehen.

Fazit:
Eine auf den ersten Blick vielversprechende Dokumentation, die dann leider doch enttäuscht. Unsere ausführliche Kritik zum Kinostart gibt es hier.

SOMEONE YOU LOVE (EN DU ELSKER)

Someone-You-LoveThomas Jacob hat sich als Sänger und Songwriter weltweit einen Namen gemacht, er lebt nur für seine Musik. Nach Jahren der Abwesenheit kehrt er in seine Heimat Dänemark zurück, um mit seiner langjährigen Produzentin Molly Moe ein neues Album einzuspielen. Assistentin Kate, die ihm alles abnimmt, hat eine Villa gemietet, in der er sich einzuigeln gedenkt. Doch seine Tochter Julie, mit der er nie viel Kontakt hatte, und ihr elfjähriger Sohn Noa machen ihm einen Strich durch die Rechnung. Die alleinerziehende Julie wird in eine Suchtklinik eingeliefert und Thomas ist gezwungen, Noa bei sich aufzunehmen. Langsam entwickelt sich eine Beziehung zwischen Großvater und Enkel. Ein Schicksalsschlag zwingt Thomas zu einer Entscheidung, die sein Leben verändern wird. Und nicht nur seines.

Fazit:
Obwohl man die Geschichte eines Griesgrams, der durch ein Kind aufblüht, sicherlich schon etliche Male im Kino gesehen hat, weiß diese dänische Produktion zu überzeugen. Das liegt in erster Linie an den fantastischen Darstellern, aber auch am wunderbaren Soundtrack. Es ist wirklich schade, dass dieser Film noch immer keinen deutschen Verleih gefunden hat.

THOU WAST MILD AND LOVELY

Thou-wast-mild-and-lovelyEin Bauernhof im ländlichen Kentucky. Jeremiah, der Vater, Sarah, die Tochter. Die beiden kabbeln miteinander wie junge Hunde. Über den sattgrünen, frischen Bildern der Natur, der Tiere, der Bäche und Pfützen eine Frauenstimme, die geheimnisvoll und sinnlich von ihrem Liebhaber erzählt, der ein Mensch sein mag oder auch die ganze Welt. Auftritt Akin, der für den Sommer aushelfen soll, Frau und Kind daheim gelassen hat – und seinen Ehering vorsorglich abgelegt. Bald umkreisen sich die drei, sie beobachten, fühlen sich beobachtet und wissen, dass ihr Beobachten nicht unbeobachtet bleibt. In dieser Atmosphäre entwickelt sich zwischen Sarah und Akin eine aufgeladene Romanze, eine erotische Spannung, aber auch ein ungewisses Gefühl von Bedrohung. Als Akins Frau Drew zu Besuch kommt, explodiert die Situation, harmlose Fantasien münden in einen gewalttätigen Alptraum.

Fazit:
Bereits an einem der ersten Berlinale-Tage durfte ich die Regisseurin Josephine Decker persönlich kennenlernen, die auf der Berlinale gleich zwei Filme vorstellte. Ein wirklich herzensguter Mensch und so freute ich mich umso mehr auf ihren ersten Film. In der Szene wird Decker ein wenig wie DAS Regie-Nachwuchs-Talent gehandelt, entsprechend hoch waren meine Erwartungen. Der Film entpuppte sich als „anders“ als alles, was ich zuvor gesehen hatte und verstärkte meine Neugier auf den zweiten Film, den es keine 24 Stunden später geben sollte. Zuvor führte ich aber zusammen mit Kollegen noch eine wahnsinnig interessante Unterhaltung mit Josephine Decker, bis uns das Kinopersonal schließlich freundlich, aber bestimmt, aus dem Saal warf.

 

Der fünfte Tag begann mit einem Film, den ich eigentlich bereits aussortiert hatte, den ich mir mangels Alternativen dann aber doch angesehen habe.

PRAIA DO FUTURO

Das Wasser ist das Element des Rettungsschwimmers Donato und das Meer sein Zuhause. Auf unerwartete Weise wird der titelgebende “Strand der Zukunft“ seinem Leben eine neue Richtung geben. Als zwei Männer in eine gefährliche Strömung geraten, kann er den deutschen Touristen Konrad retten, doch dessen besten Freund holt die See. Während man den Leichnam an der Küste sucht, kommen sich Konrad und sein Retter näher. Die starke körperliche Anziehung schlägt schnell in tiefere Gefühle um. Donato folgt Konrad nach Berlin und damit in eine Stadt, die nicht am Meer liegt, in der man sich jedoch neu erfinden kann. Jahre später wird Donato mit seiner Vergangenheit konfrontiert. Wütend steht sein jüngerer Bruder Ayrton vor der Tür und will wissen, warum Donato ihn, ohne ein Wort zu sagen, verlassen hat. Auch Ayrton wird sich in den Strudel der fremden Stadt werfen, und auch er wird mehr Fragen als Antworten finden.

Fazit:
Ich hätte auf meinen Instinkt hören sollen, denn dieser Film wusste mich so gar nicht in seinen Bann zu ziehen. Mehr dazu in der ausführlichen Kritik zum Kinostart.

STRATOS (TO MIKROI PSARI)

Nachts arbeitet Stratos in einer Brotfabrik, tagsüber bringt er für Geld Menschen um. Er muss die Befreiung von Leonidas aus dem Gefängnis finanzieren, der ihm einst das Leben rettete, als er selbst hinter Gittern saß. Für Stratos ist das eine Frage der Ehre. Wir wissen nicht, wie viele Menschen er schon getötet hat, wir sehen aber, dass er noch ein Gewissen hat. Aufmerksam kümmert er sich um das achtjährige Nachbarskind Katerina, dessen Mutter und einen Onkel. Als das Geld für den Gefängnisausbruch endlich zusammen ist, nimmt das Geschehen eine unerwartete Wendung. Auch die Sicherheit der kleinen Katerina steht nun auf dem Spiel: Ihr droht psychische und physische Gewalt. Stratos muss handeln, auch wenn damit auf Unrecht weiteres Unrecht folgt.

Fazit:
Zur Abwechslung mal eine griechische Produktion, doch irgendwie kann die Story nicht zünden. Dabei ist das Thema durchaus interessant und auch die Umsetzung ist solide. Trotzdem bleibt dieser Film unter dem Durchschnitt…

BLIND MASSAGE (TUI NA)

Blind-MassageMa hat als Kind bei einem Unfall sein Augenlicht verloren und muss sich seitdem auf sein Gehör verlassen. Auch die anderen Beschäftigten in der Massagepraxis in Nanjing, in der Ma als junger Mann arbeitet, teilen sein Schicksal. Mit einer Kamera, die die tastenden Bewegungen dieser Menschen aufnimmt, mit einer Tonspur, die auch das geringste Geräusch wahrnimmt, geht der Film in eine Welt der Dunkelheit. Lou Ye, der mit sehenden und blinden Darstellern gearbeitet hat, begleitet die Figuren ein Stück ihres Weges, forscht ihren Sehnsüchten und Träumen nach und skizziert zugleich die Alltagsrealität im modernen China.

Fazit:
Vielleicht waren es die unbequemen Stühle im Friedrichstadtpalast, vielleicht aber auch eine langsam einsetzende Filmmüdigkeit, aber dieser chinesische Film hat mich extrem kalt gelassen. Es könnte aber vielleicht auch daran liegen, dass ich generell mit der chinesischen Art und Weise, Filme zu drehen, recht wenig anfangen kann…

BUTTER ON THE LATCH

Butter-on-the-LatchIn den finsteren kalifornischen Wäldern von Mendocino, findet ein Balkan-Folk-Festival statt, auf dem Sarah ihre Freundin Isolde mit einem Besuch überrascht. Die beiden erfahren von den Mythen ferner Länder, lernen Volkslieder und -tänze und plappern fröhlich auf ihrem von Taschenlampen beleuchteten Weg in die kleine Hütte, in der sie schlafen. Während einem dieser unbekümmerten Momente trifft Sarah einen gutaussehenden Mann und entscheidet sich, ihn zu verführen – langsam und über mehrere Tage. Während sie sich ihrem Ziel nähert, verändern unirdische, erschreckende Gefühle ihr Verhalten. Sie stürzt immer tiefer in die mythische Welt der anderen Festivalbesucher und vergisst darüber fast ihre Freundin.

Fazit:
Da haben wir ihn, den zweiten Film von Josephine Decker. Ebenso geheimnisvoll wie THOU WAST MILD AND LOVELY, doch für meine Begriffe ein wenig zu esoterisch. Trotzdem äußerst interessant inszeniert und wunderbar gefilmt durch Deckers Stamm-Kamerafrau Ashley Connor, die ebenfalls vor Ort war und uns im Anschluss interessante Einblicke in ihre Arbeit gewährte.

ALOFT

AloftIvan reist in Begleitung einer jungen Dokumentarfilmerin immer tiefer in eine unbekannte, von Schnee und Eis gezeichnete Landschaft. Durch ein geheimnisvolles Netz von Rückblenden enthüllt der Film die Gründe. Als Ivan ein kleiner Junge ist, arbeitet seine Mutter Nana auf einer Farm. Daneben widmet sie sich vor allem Ivans kleinem Bruder Gully, der durch eine Krankheit geistig verfällt. Die Mutter verlangt, dass Ivan dem Bruder zur Seite steht. Doch der verharrt trotzig in seiner eigenen Welt, in der er die Flugmanöver seines Falken Inti verfolgt. Eines Tages lässt sich ein Heiler im Ort nieder. Durch ihn entdeckt Nana ihre eigene heilende Kraft. Die beiden bauen fragile Zelte aus Ästen und helfen hier fremden Kindern, gesund zu werden. Durch einen tragischen Unfall wird Nanas Familie schließlich auseinandergerissen. Jahre später, der Film schildert wieder die Gegenwart, macht Ivan sich auf die Suche nach seiner Mutter. Er ist jetzt selbst Vater. Nana soll am Ende eines gefrorenen Sees ihr Zelt aufgeschlagen haben.

Fazit:
Regisseurin Claudia Llosa legt hier einen äußerst merkwürdigen Film vor. ALOFT taucht mir persönlich zu sehr in esoterische Gefilde ab und weiß dadurch wenig bis gar nicht zu überzeugen. Jennifer Conolly spielt ihre Rolle zudem so lustlos ab, als ob sie erst zu Drehbeginn erkannt hat, zu welcher Rolle sie sich vertraglich verpflichtet hat. Kein Wunder, dass der Film bis heute trotz seiner Besetzung keinen deutschen Kinostart hat…

FEUERWERK AM HELLICHTEN TAGE (BLACK COAL, THIN ICE)

Black-Coal-Thin-Ice1999 kommt es in einer Kleinstadt im Norden Chinas zu schrecklichen Leichenfunden. Bei der Festnahme der mutmaßlichen Mörder ereignet sich ein blutiger Zwischenfall, bei dem zwei Polizisten sterben und einer schwer verletzt wird. Der überlebende Polizist, Zhang Zili, wird vom Dienst suspendiert und arbeitet fortan als Wachmann in einer Fabrik. Fünf Jahre später geschehen wieder mysteriöse Morde. Mit Hilfe eines ehemaligen Kollegen nimmt Zhang auf eigene Faust Ermittlungen auf. Er entdeckt, dass alle Opfer in Beziehung zu einer jungen Frau standen, die in einer Reinigung arbeitet. Zhang gibt sich als Kunde aus, nimmt ihre Verfolgung auf und verliebt sich in die schweigsame Wu Zhizhen. An einem kalten Wintertag macht er eine furchtbare Entdeckung. Er gerät in Lebensgefahr und muss erfahren, dass Schuld und Unschuld nicht immer zu trennen sind.

Fazit:
Tatsächlich ist es mir gelungen, den späteren Gewinner des Golden Bären zu sichten. Dass mir der Film allerdings nicht gefallem hat, mag an meinen gererellen Problemen mit dem chinesischen Kino liegen. Vielleicht war der Film aber auch tatsächlich nicht so gut, wie es die Jury empfunden hat.

Dafür ist jetzt die Vorfreude groß, denn am nächsten Tag gibt es den „Gewinner der Herzen“ zu sehen…

Teil 3 der Berlinale-Berichterstattung

Teil 1 der Berlinale-Berichterstattung

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