Der Film der Woche

Belfast

24.02.2022

Beim Filmfest Hamburg stellte Regisseur und Drehbuchautor Kenneth Branagh seinen wohl persönlichsten Film vor: BELFAST. Darin erzählt er die Geschichte seiner Kindheit in wunderschönen Schwarz-Weiß-Bildern. 

Sommer 1969: Der neunjährige Buddy weiß genau, wer er ist und wo er hingehört: Arbeiterklasse, im Norden von Belfast, glücklich, sicher und geliebt von seinen Eltern (Caitríona Balfe und Jamie Dornan). Seine Nachbarschaft hat ein großes Herz, lacht gemeinsam – niemand lebt hier allein. Doch plötzlich bricht um Buddy herum das Chaos aus. Es beginnt mit einem maskierten Überfall, der schließlich zu den bekannten Straßenkämpfen führt. Katholiken gegen Protestanten – Nachbarn, die gerade mal einen Steinwurf entfernt leben, sind plötzlich zutiefst verfeindet. Buddy muss das Chaos und die Hysterie erst noch verstehen, denn Helden und Schurken kannte er bislang nur aus Filmen. Doch jetzt scheinen sie sein ganzes Leben umzukrempeln – direkt auf dem eigenen Hinterhof. Aber auch wenn sich alles verändert, die Liebe, das Lachen, die Musik und die prägende Magie des Kinos bleibt…

Beinahe 50 Jahre hat Branagh gebraucht, um seine eigene Kindheit in ein Drehbuch zu verwandeln. Herausgekommen ist nichts anderes als eine Liebeserklärung an Belfast und seine Bewohner. Erst der Lockdown 2020 erinnert ihn daran, dass es in seiner Kindheit nicht anders war. Auch damals war er plötzlich in der Enge der elterlichen Wohnung eingesperrt. Kein Spielen mehr auf der Straße.

Beim Schreiben erinnerte sich Branagh ein wenig daran, wie Pedro Almodóvar seinen Film „Leid und Herrlichkeit“ als „Auto-Fiktion“ bezeichnete. Er basierte zwar auf seinem Leben, wurde aber um fiktionale Elemente erweitert. Also schrieb er BELFAST durch die Augen eines kleinen Jungen, Buddy, der eine fiktionale Version seines Selbst ist. „Diese großen Leinwand-Bilder im Kino hatten einen enormen Einfluss auf die Entwicklung meiner Vorstellungskraft, und ich wollte, dass Buddy dieselbe Erfahrung macht“, so Branagh über seinen Film. 

Gedreht wurde der Film in Schwarz-Weiß. „Ich bin sowohl mit farbigen, als auch mit Schwarz-Weiß-Filmen aufgewachsen“, so Branagh, „aber ich habe später erfahren, dass es ein sogenanntes Hollywood-Schwarz-Weiß gibt, eine Art von samtenem, seidenartigem Schwarz-Weiß, in dem jeder noch ein wenig glamouröser wirkt. Schließlich sieht ein neunjährigen Junge seine Eltern als enorm glamourös an und es erlaubt zudem, dass alles etwas überlebensgroß wirkt“. Ein durchaus nachvollziehbarer Aspekt, denn genau diesen Eindruck hat der Film in mir ausgelöst. 

Ursprünglich wollte Branagh den Soundtrack mit Titeln aus den Hitparaden der damaligen Zeit bestücken, doch als er sich mit dem Musiker Van Morrison getroffen hat, der ebenfalls gebürtig aus Belfast stammt, war die Entscheidung klar. So sind im Film neben ein paar Instrumentalstücken jetzt acht seiner Songs zu hören, plus einer komplett neuen Komposition. Die Stimme Van Morrissons und seine einzigartige Mischung aus Folk, Soul, Country, Jazz und Rock machen diesen Soundtrack zum perfekten Begleiter des Films.

Zum Verständnis des Films ist die Geschichte der Insel zwar nicht zwingend erforderlich, es schadet aber auch nicht, davon zu wissen. 1921 wurde Irland geteilt. Sechs Grafschaften der Provinz Ulster wurden zu Nordirland, das ein Teil des Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland wurde. Der Rest des Lands, heute bekannt als die Republik Irland, wurde eigenständig. Ab 1967 gab es beträchtliche politische und zivile Unruhen in Nordirland, in der es um die Rechte der katholischen Minderheit ging. Diese verspürten nämlich eine wesentliche Benachteiligung, wenn es um Wohnraum und Beschäftigungen ging. Im August 1969 brachen in ganz Belfast, der Hauptstadt von Nordirland, gewalttätige Unruhen aus. Viele Familien in Arbeiterklassen-Vierteln wurden aus ihren Häusern vertrieben oder zumindest damit bedroht. Der Norden von Belfast wurde dabei proportional sehr viel härter getroffen, als jeder andere Teil des Landes. Viele Zivilisten fanden dabei ihren Tod.

Kenneth Branagh gelingt es mit BELFAST, diese Zeit in unser Gedächtnis zurückzuholen, ohne dabei für eine Seite Partei zu ergreifen. Nun, das ist bei einer Sicht durch die Augen eines neunjährigen Jungen auch nicht einfach. Die Art und Weise, wie Branagh hier die Geschichte seiner Heimat mit der eigenen verbindet, ist grandios und so ist BELFAST eine echte Offenbarung. 

Belfast lief im Programm des Filmfests Hamburg, wo Kenneth Branagh seinen Film persönlich vorgestellt hat.

Der deutsche Kinostart ist aktuell für den 24.02.2022 geplant.

Trailer

Im Rahmen der Berichterstattung
ab12

Originaltitel

Belfast (Großbritannien 2021)

Länge

98 Minuten

Genre

Drama / Biographie

Regie

Kenneth Branagh

Drehbuch

Kenneth Branagh

Darsteller

Caitríona Balfe, Judi Dench, Jamie Dornan, Ciarán Hinds, Colin Morgan, Jude Hill

Verleih

Universal Pictures International Germany GmbH

Filmwebsite

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