Auf trockenen Gräsern

16.05.2024

Der preisgekrönte türkische Regisseur Nuri Bilge Ceylan (Jahrgang 1959) gilt spätestens seit der Verleihung der Goldenen Palme 2014 für seinen siebten Spielfilm „Winterschlaf“ als ein Meister des epischen Kinos. Seine Filme sind lang – sehr lang. Auch beim jüngsten Filmfest Hamburg 2023 durften wir sein neuestes Werk AUF TROCKENEN GRÄSERN bewundern, das zuvor beim Filmfestival von Cannes den Preis für die Beste Darstellerin (Merve Dizdar) erhalten hatte.

Bevor ich auf das Thema und die Bedeutung dieses 198 (!) Minuten langen Melodrams komme, sei mir eine persönliche Vorbemerkung erlaubt: Regisseur Nuri Bilge Ceylan verbeugt sich hier unübersehbar vor dem sogenannten Boom des türkischen Kinos in den späten 1970er- und frühen 1980er-Jahren. Meisterwerke wie „Sürü – Die Herde“ und „Yol – Der Weg“ verzauberten damals weltweit die Filmfans. Einer der Höhepunkte war „Eine Saison in Hakkari“ des Regisseurs Erden Kiral über einen Lehrer, der (aus politischen Gründen strafversetzt) ein Schuljahr in einem abgelegenen Dorf in Nordost-Anatolien überstehen muss. Und genau diese Geschichte erzählt Nuri Bilge Ceylan noch einmal neu. Mit überwältigender Tiefe!

Samet (Deniz Celiloğlu), ein junger Kunstlehrer aus Istanbul, leistet seit vier Jahren seinen Pflichtdienst in einem winzigen Dorf in Anatolien. Er verrichtet seine Arbeit gewissenhaft, wartet aber, trotz einer wilden Affäre mit seiner Kollegin Nuray (Merve Dizdar), nur darauf, die Trostlosigkeit des Landlebens so schnell wie möglich wieder verlassen zu können. Doch als er und sein Kollege Kenan (Musab Ekici) mit den Vorwürfen zweier Schülerinnen konfrontiert werden, diese belästigt zu haben, ist an Aufbruch nicht mehr zu denken. Samet ist wie vor den Kopf gestoßen – er versteht die Welt nicht mehr: „Was habe ich falsch gemacht?“ Wie kann Nuray ihn aus dieser Verzweiflung befreien…

AUF TROCKENEN GRÄSERN hat neben den drei Lehrern noch zwei weitere Hauptrollen: die überwältigende karge Landschaft und die vier Jahreszeiten. Vor allem der mörderische Winter ist kaum auszuhalten.

Auch hier besticht Nuri Bilge Ceylan durch die epische Kraft seines Filmstils. Doch man muss fairerweise auch konstatieren, das die Geschichte diesmal dramaturgisch die 198 Minuten nicht ganz trägt. Manchmal wird man das Gefühl nicht los, dass sich der Regisseur hier und da ein bisschen verzettelt hat. Ein beeindruckender Film – aber wohl nicht Nuri Bilge Ceylans bester!

Trailer

Im Rahmen der Berichterstattung
ab12

Originaltitel

Kuru Otlar Üstüne / About Dry Grasses (Türkei / Frankreich 2023)

Länge

198 Minuten

Genre

Drama

Regie

Nuri Bilge Ceylan

Drehbuch

Akin Aksu, Ebru Ceylan, Nuri Bilge Ceylan

Darsteller

Deni̇z Celi̇loğlu, Merve Di̇zdar, Musab Eki̇ci̇, Ece Bağci, Erdem Şenocak, Yüksel Aksu, Müni̇r Can Ci̇ndoruk, Onur Berk Arslanoğlu

Verleih

eksystent Filmverleih Kijas

Filmwebsite

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