Filmexperten wissen es längst: Als Regisseur ist Ben Affleck seit seinem genialen Debüt „Gone Baby Gone“ ein Meister seines Faches, als Schauspieler agiert er dagegen eher nur mittelmäßig. In seiner neuesten Regiearbeit AIR – DER GROSSE WURF hat er zudem eine der Hauptrollen übernommen. Er spielt den „Nike“-Gründer und CEO Phil Knight. Damit müssen wir leben. An Afflecks Seite spielt sein Kumpel aus Kindertagen, Matt Damon, mit dem er für ihr gemeinsames Drehbuch zu „Good Will Hunting“ einen Oscar erhielt.
In der Kleinstadt Beaverton in Oregon dümpelt der Sportartikelhersteller „Nike“ zu Beginn der 1980er-Jahre wenig erfolgreich dahin. Gegen die (deutschen) Firmen-Giganten „adidas“ und „Puma“ hat er (noch) keine Chance. Um besonders im schwächelnden Basketball-Segment Boden gut zu machen, engagiert Phil Knight (Ben Affleck) den Experten Sonny Vaccaro (Matt Damon, diesmal mit einem unübersehbaren Bierbauch). Und Vaccaro hat eine glänzende Idee: die neue Kampagne auf einen einzigen Spieler zu konzentrieren und ihm einen maßgeschneiderten Sportschuh anzupassen, der nach ihm benannt werden soll.
Vaccaro hat einen Spieler im Auge: das 18-jährige Supertalent Michael Jordan, der zwar noch kein einziges NBA-Spiel abgeliefert hat, aber ein riesiges Potenzial, das der „Nike“-Mann längst erkannt hat. Dummerweise hat bereits „adidas“ Interesse an ihm angemeldet. Da ist guter Rat teuer. Vaccaro ist fest entschlossen, den jungen Spieler trotz aller Widerstände in seine Firma zu holen. Knight ist zunächst skeptisch („zu teuer“), doch der Basketball-Experte findet Unterstützung in der Person des Marketing-Vizepräsidenten Rob Strasser (Jason Bateman). Bei Jordans Agent David Falk (Chris Messina) beißen sie erst einmal auf Granit. Doch da hat Vaccaro einen brillanten Einfall: Er wendet sich direkt an Michael Jordans Mutter Deloris (Viola Davis) und besucht sie unangemeldet in ihrem Haus.
Nach langem Zögern sieht sie die Möglichkeit, für ihren Sohn Millionen herauszuschlagen und verhandelt knallhart. Zudem geht der Vertragspoker bei „adidas“ schleppend voran, zu dem Jordan extra nach Franken reist, wo er auf eine von Barbara Sukowa gespielte Chefin mit grauenvollem englischen Akzent trifft. Bei seinem Nike-Besuch in Beaverton hingegen wird dem Jungstar der neue Schuh präsentiert: „Air Jordan“. Am Ende erhält er Millionen, und Deloris setzt durch, dass Michael von jedem verkauften Schuh Prozente erhält. Zähneknirschend akzeptiert Knight den Vertrag. Der Rest ist Geschichte…
In David O. Russells „Joy – Alles außer gewöhnlich“ (mit Jennifer Lawrence in der Hauptrolle) dreht sich alles um einen Wischmopp – warum nicht mal ein Film über einen Schuh? AIR – DER GROSSE WURF hätte ein furchtbarer Langweiler werden können – doch Regisseur Affleck vermeidet alle Gefahren. Er hat das Biopic als unglaublich unterhaltsame Komödie inszeniert, dass wir Zuschauer die bizarre Handlung gespannt verfolgen. Gemeinsam mit Kameramann Robert Richardson hat Affleck den Look der 1980er-Jahre genial getroffen – hier stimmt jede Szene. Und er hatte den Mut, Michael Jordan den ganzen Film über nur von hinten zu zeigen – einen schlaksigen jungen Mann, der kaum den Mund aufmacht.
Als Regisseur hat Ben Affleck noch keinen einzigen schlechten Film gedreht. Bei AIR – DER GROSSE WURF müssen wir uns erst einmal an das merkwürdige Thema und an die ungewöhnliche Dramaturgie gewöhnen – denn es gibt keine einzige Szene aus dem Privatleben der Figuren. Wenn wir das akzeptieren, werden wir blendend unterhalten.
Air (USA 2023)
112 Minuten
Drama
Ben Affleck
Alex Convery
Matt Damon, Ben Affleck, Jason Bateman, Chris Tucker, Chris Messina, Marlon Wayans, Viola Davis, Matthew Maher, Julius Tennon
Warner Bros. Entertainment GmbH